Es werde Markt! DIE FINANZPOLITIK VON VÁCLAV KLAUS
RESTRIKTIVE GELDPOLITIK Bereits am Anfang seiner Karriere als Finanzminister
hat Klaus seinen Kurs klar abgesteckt: Was unsere in einer Monopolposition
befindlichen Betriebe treiben, ist fürchterlich. Zur Änderung
dieser Situation auf makroökonomischer Ebene sei eine entschieden
restriktive Geld- und Budgetpolitik nötig. Das heiße nichts
anderes, als diese Betriebe mit strengen Bestimmungen für die Kreditvergabe
in die Enge zu treiben und die staatliche Unterstützung für
sie radikal zu beschränken. Darüberhinaus seien selbstverständlich
die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Entstehung verschiedener
Eigentumsformen und Belebung der Konkurrenz zu schaffen.(2) Man muß sich hier vergegenwärtigen, was eine
Phrase wie restriktive Geldpolitik angesichts einer realsozialistischen
Wirtschaft heißt. Es handelt sich ja hier nicht um eine kapitalistische
Wirtschaft, in der es einen staatlichen und einen privaten Sektor gibt.
Der staatliche Sektor im Westen hat mehrere Gründe: Er übernimmt
z.B. die toten Kosten des Kapitals, die sogenannte Infrastruktur
d.h., er sorgt dafür, daß der Transport der Güter und
Arbeitskräfte, mit denen das Privatkapital seine Geschäfte macht,
funktioniert, baut also mit Steuermitteln Straßen, hält die
Eisenbahn in Schwung, usw. Er sorgt für die sonstige Kommunikation,
den Fernsprechverkehr, die Postzustellung, ein Banksystem, das den Kapitalverkehr
unkompliziert abwickelt. Oder er leistet sich, wie in Österreich,
dazu auch noch eine verstaatlichte Grundstoffindustrie, die billige Energie,
Stahl usw. an die Privatwirtschaft liefert und damit dazu beiträgt,
daß diese Privatbetriebe mit ihrer Kostenkalkulation im Ausland
konkurrenzfähig sind. In den Ökonomien des realen Sozialismus gab es keine
zwei Sektoren, der Staat ist die Wirtschaft. Wenn Klaus also seine
Monopolbetriebe in die Enge treiben will, so heißt das
erst einmal, daß er der gesamten Wirtschaft der CSFR die Daumenschrauben
ansetzt. Er will ihnen durch Entzug der staatlichen Mittel eine gewinnorientierte
Kalkulation und die entsprechende Produktion aufnötigen. Das ist
ein unübliches Verfahren. Gewöhnlich werden Betriebe nämlich
dadurch konkurrenzfähig gemacht, daß in sie investiert wird,
daß ihnen also Mittel zugeführt werden. Mit was für Betrieben
ist Klaus also konfrontiert, um das umgekehrte Verfahren für zielführend
zu halten? Die Betriebe der CSSR sollten nicht für den Weltmarkt
produzieren und dabei Profit machen, sondern die Bevölkerung der
CSSR und je nach Abkommen auch anderer RGW-Staaten mit Schuhen, Maschinen
und anderen Gütern versorgen. Ob sie dabei noch sozialistische Gewinne
an den Staat ablieferten oder umgekehrt einen Zuschußbetrieb des
Staates darstellten, und ob sie die Planvorgaben pünktlich erfüllten,
war für die Aufrechterhaltung ihrer Produktion ziemlich nebensächlich.
Wenn in einem Betrieb z.B. statt der vorgesehenen 2 Millionen Gummistiefel
nur 1,8 produziert wurden, so wurde im Betrieb eine moralische Kampagne
inszeniert, vielleicht der Direktor ausgewechselt oder unbezahlte Überstunden
freiwillig beschlossen, d.h. verordnet, vielleicht auch Geld
zugeschossen für eine neue Maschine oder die Einstellung von mehr
Arbeitern aber nie und nimmer der Betrieb gesperrt. Dann hätten
ja im nächsten Jahr nicht nur 0,2 Millionen Stiefel gefehlt, sondern
1,8 Millionen. Diese Betriebe werden jetzt mit der Forderung konfrontiert,
auf einmal für einen anderen Zweck als den bisherigen zu produzieren
und es erweist sich, daß sie dafür nichts taugen. Mit anderen
Worten: Es wird ein neuer Maßstab an sie angelegt, dem sie nicht
entsprechen können. Deswegen ziert sich das umworbene ausländische
Kapital so sehr, und das nicht nur in der CSFR. Es geht nicht nur darum,
eine vorhandene Produktion zu modernisieren, ein paar neue Geräte
in die Halle und ein paar Computer ins Büro zu stellen, sondern die
gesamte Produktion müßte erneuert werden. Damit bleibt aber
als Angebot an das ausländische Kapital nur: Viele billige und willige
Arbeitskräfte und eine gewisse Infrastruktur, die den verwöhnten
Ansprüchen eines westeuropäischen oder amerikanischen Unternehmers
oft auch nicht genügt.
FREIGABE DER PREISE im Januar 1991. Nach einer OECD-Studie betrug sie im
Jahre 1991 mehr als 50%. Die offizielle Leseart zu diesem Phänomen
lautet, die Preise seien künstlich niedrig gehalten worden,
müßten jetzt freigegeben werden und würden sich dann auf
dem normalen Niveau einpendeln, sobald ein Gleichgewicht
von Angebot und Nachfrage hergestellt wäre. Wenn in einer Wirtschaft wie der der CSFR, in der es
kein Kapital gibt und in der daher die Produktion nicht verbilligt werden
kann, die Preise freigegeben werden, so hat das natürlich
zur Folge, daß die Preise erhöht werden und sonst nichts.
Die Händler und sonstigen Anbieter versuchen darüber ihren Reibach
zu machen, daß sie billig einkaufen und teurer weiterverkaufen.
Diese archaische Form der Bereicherung praktiziert zwar der hiesige Greißler
auch, aber er ist damit der Agent einer Produktion, die über andere
Methoden der Preisbildung verfügt und sich seiner zur Realisierung
ihrer Gewinne bedient. Insgesamt läßt sich feststellen, daß
die Freigabe der Preise zwar höhere Summen auf den Preis- und Lohnzetteln
verursacht hat, zum Rückgang der Produktion das ihrige beigetragen
hat, und einigen Schmugglern und Händlern zu bescheidenem Reichtum
verholfen hat. Andere Wirkungen lassen sich nicht feststellen. Es wird
als Erfolg gewertet, daß die Inflation unter Kontrolle gehalten
wird.(6) (Ein schönes Ergebnis:
Die ich rief, die Geister, werd ich zwar nun nicht los, halte sie aber
an der Leine.) Es ist, soviel sei nur abschließend bemerkt, eine
ungerechte Besprechung der Spaltung der CSFR, einzig die slowakische Seite
für diese Spaltung verantwortlich zu machen. Wenn der eine Wahlsieger
in seinem nationalistischen Wahn, Prag sei die Quelle allen Übels,
lieber den beschleunigten wirtschaftlichen Zusammenbruch in Kauf nimmt,
als sich diesem Diktat weiterhin zu fügen, so täuscht
sich auch Klaus in der Vorstellung, er würde sich mit der Slowakei
einen Klotz vom Bein schaffen und hätte dann endgültig freie
Bahn für seine Reformen. Das gute Geld, das er für unrentable
Betriebe in der Slowakei nicht hergeben will, ist nämlich gar kein
gutes, sondern eben die nicht weltmarkttaugliche Krone, die die CSFR selber
druckt. Die Güter, die er heute für ebendiese Kronen aus der
Slowakei bezieht, muß der tschechische Staat aber im Falle einer
endgültigen Trennung für Devisen erstehen, seis von der Slowakei
oder aus einem anderen Land und über die Größenordnung
solcher Importe soll man sich nicht täuschen: In über 40 Jahren
sozialistischer Arbeitsteilung ist einiges an Abhängigkeiten entstanden. Die Kommentierung dieser ökonomischen und politischen
Erdbeben durch westliche Besserwisser, sogenannte Experten, treibt durch
die Bemühung, Optimismus zu versprühen, oft seltsame Blüten.
Zum Beispiel die Meinung eines deutschen Professors(8)
also des Bürgers eines Landes, in dem die Wirtschaftsfachleute
bereits ein großes Wehgeschrei anstimmen, wenn das Wirtschaftswachstum
um ein halbes Prozent geringer ausfällt als vorgesehen , der
die Politik von Klaus mit den Worten lobt, der Produktionsrückgang
sei auf 5% geschrumpft und die Inflation sei in diesem letzten Monat zum
Stillstand gekommen. Der tschechische Gast in der Sendung, übrigens
ein Parteigenosse Klaus, protestiert und meint, die Zuständigen
in der CSFR würden das keineswegs als Erfolg betrachten vergebens.
Es sei schließlich eine Frage der Zahlen, wird ihm erklärt,
und 5% sei besser als 10%. Fazit: Václav Klaus ist der Vollstrecker
der Härten der westlichen Wirtschaftsform, die Kapitalismus heißt,
an seinem eigenen Volk. Dafür wird er im Westen gefeiert, nicht für
seine wirtschaftlichen Erfolge, denn er hat keine. Was Klaus für
westliche Beobachter attraktiv macht, ist die praktische Anwendung aller
Dogmen der Volkswirtschaftslehre: Er befürwortet die These von der Gesundschrumpfung
seiner Wirtschaft: Es bedeute nicht den Untergang der Wirtschaft, sondern
ihre Gesundung, wenn nur das produziert werde, was auch gebraucht und
verkauft werde.(10) Die Botschaft
ist klar: Wenn etwas nicht gekauft wird, so wird es auch nicht gebraucht.
Wer das nötige Kleingeld nicht aufbringt, kann sich auch keine Bedürfnisse
erlauben. Die nationalökonomische Konsequenz aus diesem Dogma heißt:
Besser keine Produktion als eine unrentable. Sie bedeutet das Abtreten
der C(S)FR als ökonomisches Subjekt. Klaus spricht mit unverblümter Offenheit aus, daß
das Wohl der Staatsbürger sich am Gedeihen der Wirtschaft zu bemessen
und ihm unterzuordnen habe, daß Löhne nicht erhöht werden
können, wenn die Produktivität nicht gestiegen ist der
Unternehmer darf sehr wohl seine Kosten in Anschlag bringen, um die Ansprüche
der Belegschaft zurückzuweisen, der umgekehrte Fall ist nicht gestattet. Er vertritt die Vorstellung des Homo oeconomicus(11)
jeder Mensch ist eigentlich ein geborener Unternehmer. Wer diese
seine Grundeigenschaft nicht in gehörigem Maße herausbildet
und pflegt, ist daher der Spezies Mensch nur mehr sehr begrenzt zuzuordnen.
Abgesehen von dem in in dieser Auffassung vorhandenen
Rassismus er erklärt das, was er von den Menschen will, nicht
nur zu deren Bedürfnis, wie es der gewöhnliche Heuchler tut,
sondern gleich zu ihrer Eigenschaft macht er sich mit dieser Feststellung
immun gegen jede Kritik. Nicht die Wirtschaft ist es, die Opfer fordert,
sondern die Menschen sind mangelhaft, wenn sie sich in dieser Wirtschaft
nicht bewähren, keinen Gewinn machen oder keine Arbeit haben. Eine
ziemliche Publikumsbeschimpfung, wenn man es ernst nimmt. --------------------------------------------------------- (1) Salzburger Nachrichten (SN), 9.6.1992 (2) aus einem Interview in der tschechischen Wochenzeitung »Forum« im Februar 1990 (3) Die tschechische Wirtschaft stehe
knapp vor dem Zusammenbruch, sagte der Industrieminister der Teilrepublik,
Jan Vrba, bei einer Pressekonferenz in Prag. Er begründete seinen
Kassandra-Ruf mit den miserablen Wirtschaftskennzahlen des Monats Jänner:
Die Industrieproduktion ist um 48,9% gegenüber dem Vergleichsmonat
1991 gesunken. Die Gewinne der Industriebetriebe schrumpften von 12,7
Mrd. auf 2,9 Mrd. Kronen ... Die Verpflichtungen der Betriebe gegenüber
dem Industrieministerium haben sich gegnüber dem Jänner des
Vorjahres mit 50,1 Mrd. Kronen verdoppelt. in: SN, 18.3.1992 Nach einer statistischen Übersicht der Hospodarské
Noviny vom 17.4.92 betrug der Produktionsrückgang der Industrie
in der gesamten CSFR in den Monaten Jänner und Februar 36,1%, der
Absatz der Industrieprodukte ging um 40% zurück. Diese zwei Zitate nur zur Widerlegung der Ansicht, die Tschechische Republik stehe relativ gut da und die Slowakische sei das Sorgenkind der Nation. (4) Wirtschaftsvertrter zur Frage der Vidierung, in: SN, 4.4.92 (5) in: Osteuropa-Thema Nr.31 der Deutschen Bank vom November 1991 (6) Der Vorsitzende der Deutschen Indusrie- und Handelskammer bei der Eröffnung ihrer Prager Niederlassung, in: Heti Világgazdaság (HVG), ungarische Wochenzeitung, 18.1.92 (8) in einer Club 2-Sendung am 23.6.1992 ______________________________________________________________________________ (FORVM– österreichische 2-monatlich erscheinende Zeitschrift, 1995 eingestellt. Der Artikel erschien im November 1992)
Zum Verlauf der Privatisierung in der Tschechoslowakei siehe: „Große und kleine Privatisierung“ |