DIE TÜRCKE-KONTROVERSE DES KONKRET
Der Inhalt des Vortrages von Türcke sei hier kurz
wiedergegeben. Er hat, mit vielen geistesgeschichtlichen Schnörkseln
ausgeschmückt, behauptet, Rassen gebe es einfach, das sei nicht zu
leugnen, eine biologische Tatsache, und ohne es genau angeben zu können,
hätte die Zugehörigkeit zu einer Rasse auch Auswirkungen auf
das Denken der Menschen vermittelt über Kultur, Sozialisation
etc. Nun leben wir im Zeitalter des Weltmarktes, wo es keine abgeschlossenen
Gesellschaften mehr geben kann, und die Rassen vermischen sich notwendig.
In diesem Augenblick tritt eine ewigmenschliche Eigenschaft, der Fremdenhaß,
verstärkt an die Öffentlichkeit. Er ist nämlich eine Art
Selbstschutzmechanismus dieser als Rasse bezeichneten Türckeschen
Kollektive, und da in Zeiten der Krise die Mitglieder der Rasse Deutschland
ihren Besitzstand gefährdet sehen, tritt automatisch
dieser Mechanismus in Kraft und wendet sich gegen alles Fremde.
Das ist zwar entsetzlich, aber notwendig, denn es liegt in der menschlichen
Natur und selbstverständlich auch im Kapitalismus, gegen den
wir ja alle sind und der das ganze Elend und die Krise verursacht ,
begründet. Wohlbemerkt: er bringt den Fremdenhaß nicht hervor,
der existiert bereits vorher sondern er bringt ihn nur an die Oberfläche,
veranlaßt ihn dazu, sich zu äußern. Das ist das Kapitalismuskritische
an dem Vortrag Türckes.
In einer Hinsicht hat Türcke sehr gut auf diesen
Kongreß des KONKRET gepaßt: Zur Selbstbespiegelung einer Linken,
die mit dem System de facto ihren Frieden gemacht hat, es
in der einen oder anderen Form als unabänderlich akzeptiert hat,
sich aber dennoch unbedingt von den sonstigen affirmativen Sichtweisen
der bürgerlichen Öffentlichkeit distanzieren will. Und zwar,
indem sie exquisite eigene Sichtweisen entwickelt und pflegt, die um nichts
gescheiter oder weniger affirmativ sein müssen Hauptsache,
sie sind als Ausweis linker Identität anerkannt. Zum Auftakt der Kontroverse durfte auch ein Hinweis darauf,
wie die Spielregeln einer solchen Debatte aussehen, nicht fehlen: Das
Schlimme ist, hier kann jemand reden, der mit rassistischen Kategorien
arbeitet,
daß es
zu einer Frage der Toleranz gemacht
wird, ob man sich einen solchen Scheißdreck anhören will.
(Hoeltje, 8/93) Die ideologische Leistungen des Türcke-Referates seien kurz zusammengefaßt zum besseren Verständnis des folgenden, und damit wenigstens der Leser dieses Artikels sie kennt, wenn schon die Zuhörer des Referates damit nicht zurechtgekommen sind:
Diese Thesen, die allesamt auf eine Generalabsolution des Neofaschismus und der bundesdeutschen Politik 93 hinauslaufen, waren kaum Thema der Kontroverse. Der Moralismus der Beteiligten hat den Blick für die Inhalte eben ein bißchen getrübt.
Vom Herausgeber des KONKRET hat Türcke zunächst
ein dickes Lob bekommen: Die Interpretation des Nationalismus als eine
notwendige Folge der Verschiedenheit der Menschen hat ihm so gut gefallen,
daß er gar keine Gründe mehr für die Richtigkeit von Türckes
Ausführungen angeben muß es genügt der Fingerzeig
auf seine Gegner, die angeblich moralische Erdbeben produzierten,
wahnhaft waren usw. (Gremliza, 8/93) Selbst wenn: hat dann
Türcke deshalb recht?
Ihn stört, daß das deutsche Volk dabei mit jedem anderen, z.B. dem amerikanischen, gleichgesetzt werden kann. Das ist sein (Türckes) Fehler. Völkische Selbstbezichtigung, Erbsünde-Theorien für deutsche Paßträger: Das ist es, was dieser Fackelträger des linken Bewußtseins hören will.
Ja, Türcke ist Rassist, (und noch viel Schlimmeres),
meint eine Teilnehmerin: Er spricht von einer biologischen Gegebenheit
der Körperkonstitution, diese
wiederum bestimmt die Seelenbeschaffenheit
des Menschen, diese die menschliche Geschichte, und darüber wird
wiederum der menschliche
Geist
bestimmt. Das ist Biologismus,
das ist Eugenik, das ist Rassismus,
(Strobl, 8/93) Er
macht keinen Bezug auf Rassen als soziales Konstrukt
, daher
sei er als jemand zu betrachten, der mit rassistischen Kategorien
arbeitet. (Hoeltje, 8/93) Rassist, nun ja, aus politischer Pragmatik
nämlich, weil hier ein deutscher Idealist würdevolle Abschiebungen
fordert. (Lam, 9/93) Türcke und Gremliza sind Rassisten, weil
sie die Verschiedenheit zwischen Bewohnern verschiedener Erdregionen
zum Gegenstand ihrer Überlegungen machen, somit Ersatzbefriedigung
im Befummeln und Beschnüffeln von Bewohnern anderer Erdregionen
suchen. (Pohrt, 9/93) Nicht doch, Türcke ist kein Rassist,
weil er den Begriff der »Rasse« ausschließlich
als klassifizierenden, nicht wertenden gebraucht. (Nachtmann, 10/93) Zwei Dinge werden hier einhellig als Ausweis rassistischen
Denkens dingfest gemacht: Der Schluß von körperlichen auf geistig/psychische
Eigenschaften und die abwertende Unterscheidung der Angehörigen verschiedener
Rassen. Und da ist ja etwas dran, damit ist tatsächlich die Argumentationsweise
von Rassisten beschrieben. Auch die Feststellung, daß jemand nur
deshalb solchen Wert auf den Begriff der Rasse legt, weil er auf die Unterscheidung
scharf ist, entbehrt nicht einer gewissen Schlüssigkeit. Nur: Kritisiert
ist der Rassismus in allen diesen Bestimmungen noch nicht. Es wird vielmehr
nur festgestellt, daß hier Rassismus vorliegt, und
das muß offenbar unter Leuten, die Rassismus als Haltung
verurteilen, schon reichen. Denn z.B. auf die Aussage Ingrid Strobls, daß hier
von der Körperkonstitution auf die Seelenbeschaffenheit der Menschen
geschlossen würde, könnte man naiv fragen: Na und? Warum stimmt
das nicht? Und wenn es nicht stimmt, wie kommt dann der andere, der Gegner,
auf diesen Gedanken, und warum ist er für ihn so wichtig? Und warum
erscheint dieser Schluß vielen so plausibel? Einige Angebote zur Klärung der Frage:
Es ist immer hilfreich, die Eigenschaften selbst zu untersuchen,
die einem Menschen wegen seiner Rasse, seiner Nationalität, seinem
Geschlecht zukommen oder nicht zukommen sollen. Es handelt sich nämlich
meistens um staatsbürgerliche Tugenden oder um zu solchen
uminterpretierte Züge eines Menschenschlages, die seine Nützlichkeit
für die Gemeinschaft qualifizieren sollen. Der Rassismus hat daher
seine Sternstunden auch dort, wo Angehörigen eines Volkes solche
Eigenschaften zugesprochen werden, und nicht erst dort, wo Bürgern
anderer Staaten oder eigenen, schlecht beleumundeten Volksgenossen beschieden
wird, sie hätten sie gerade nicht. Die Diskriminierung
ist daher nur eine Folge und Weiterentwicklung des ganz gewöhnlichen,
alltäglichen Rassismus, der von niemandem als solcher bezeichnet
wird. Hierzu zwei Beispiele: 1. Der Satz: Alle Menschen werden frei und gleich
an Rechten geboren. wird nicht als rassistisch bezeichnet. Dabei wird hier
die Behauptung aufgestellt, nur durch sein bloßes Menschsein, durch
die rein physische Existenz sei ein Individuum bereits in ein Rechtsverhältnis
gestellt. Die zweite Seite dieses Verhältnisses wird hier zwar mitgedacht,
aber nicht benannt: Es ist nichts anderes als die Staatsgewalt,
die Rechte und Pflichten verteilt, anders gibt es diese nämlich gar
nicht. Hinz kann Kunz zwar ein Recht geben oder nehmen, wenn ihm gerade
danach ist, gelten tut das aber nicht da muß schon
eine Gewalt her, die den damit Beschenkten darauf verpflichtet, dieses
Recht in ihrem Sinne auszuüben, und Verstöße dagegen mit
Strafe ahndet. 2. Hitler war Rassist, weil er die Menschen nach Rassenmerkmalen
eingeteilt hat: in solche, die für sein ehrgeiziges Staatsprogramm
taugen und in solche, die ihm entgegenstehen. Letztere, so hat er beschlossen
und auch praktisch wahrgemacht, gehören weg. Nicht in den intellektuellen Gaben
liegt die Ursache der kulturbildenden und aufbauenden Fähigkeit des
Ariers. Hätte er nur diese allein, würde er damit immer nur
zerstörend wirken können, auf keinen Fall aber organisierend;
denn das innerste Wesen jeder Organisation beruht darauf, daß der
einzelne auf die Vertretung seiner persönlichen Meinung sowohl als
seiner Interessen verzichtet und beides zugunsten einer Mehrzahl von Menschen
opfert. (Mein Kampf, S 326) Opfer fürs Allgemeinwohl, also für die Ziele des Staates, zeichnen den Angehörigen einer höheren Rasse aus. Es ist die staatsbürgerliche Gesinnung, Gehorsam, Anspruchslosigkeit, Einsatz an der Arbeits- und an der Kriegsfront, die vor allem bei Hitler zählte. Bei Personen, wo diese Botmäßigkeit zweifelhaft war, hat auch ein astrein germanischer Stammbaum nicht vor KZ und Hinrichtung geschützt. Es war also auch damals keine Garantie für irgendwelche Privilegien, daß jemand zum Mitglied einer Herrenrasse erklärt wurde, sondern ein harter Anspruch, den der GröFAZ an sei auserwähltes Volk gestellt hat. Jede staatliche Herrschaft leitet ihre Legitimität
aus dem Bedürfnis der ihr Unterworfenen nach ebendieser Staatsgewalt
ab und erklärt ihre Taten zu einem Dienst am Kunden an denen,
die dafür geradestehen müssen. Das ist eine genaue Verkehrung
der Tatsachen: Zunächst zwingt diese Staatsgewalt den Bürgern
das gewünschte Verhalten auf, richtet alle möglichen Zwänge
ein, mit denen sie zurechtkommen müssen. Dann liefert sie auch noch
die Sichtweise dazu, derer sich die solchermaßen Beglückten
befleißigen sollen: Nur wegen ihnen und für sie
geschieht das alles, das Wirtschaftswachstum, der Sozialstaat, die Krisenbewältigung
und das Bundesheer und noch vieles andere. Der staatliche Sortierung heute geht streng nach dem Nutzen
vor, den ein Staatsbürger für die Wirtschaft und das Allgemeinwohl
hat und unterscheidet sich darin von den rassistischen Maßstäben,
die die alte und neue Nazis in Anschlag bringen obgleich diese
staatliche Trennung das Material für den Alltagsfaschismus liefert.
Wer nützlich ist, d.h., wer vom Kapital oder in Staatsdiensten derzeit
gebraucht wird, dem wird vom Gesetzgeber erlaubt, zu bleiben, er wird
vielleicht sogar zum Inländer gemacht. Wer überzählig ist
und keinen deutschen Paß vorweisen kann, muß gehen.
Der in der Debatte öfters geäußerte Vorwurf gegen Türcke, mit seinen Aussagen würde er der Praxis des Asylgesetzes und der Abschiebungen Vorschub leisten bzw. diese legitimieren, ist absichtsvoll blind gegen die Tatsache, daß die deutschen und übrigens auch alle anderen Politiker die Maßstäbe ihres Handelns aus der Verfolgung der Staatszwecke gewinnen, also ganz souverän handeln. Humanistische Debatten über würdevolle Abschiebungen oder Wann ist das Boot wirklich voll? mögen dazu dienen, der Öffentlichkeit diese Maßnahmen zu verkaufen, sie sind aber nicht ihr Grund. Daß sie bei diesen Bestrebungen, ihre Taten aus höheren Notwendigkeiten abzuleiten, auf ein Heer von beflissenen Wissenschaftlern zählen können, die ihnen stets zu Diensten sind, ist unbestritten, und Herr Türcke gehört sicherlich dazu. Nur: er könnte genausogut auch nichts gesagt haben, denn diese ganzen intellektuellen Steigbügelhalter schmücken nur Dinge aus, die sowieso geschehen. Wegen Türcke wird kein Ausländer mehr oder weniger abgeschoben. Vorträge dieser Art sind ein Angebot an Leute, die partout ein gemeinsames Band zwischen sich und den amtierenden Politikern entdecken wollen, auch wenn sie mit einzelnen Maßnahmen keineswegs übereinstimmen. Der Adressat solcher Ausführungen ist der kritische Bürger und nicht der Souverän.
Die KONKRET-Redaktion, der das endlose Geschwafel, in
dem von Marx über Hegel bis Adorno alles aufgefahren wurde, was einem
Linken gut und teuer ist, dann doch zu bunt geworden ist, hat den gordischen
Knoten durchhackt, indem sie festgestellt hat: Rassen im herkömmlichen
Sinn gibt es gar nicht, dafür wird dann die Biologie bemüht:
Das Fazit der Biologen: Die Rassendefinitionen, die auf sichtbaren
Unterschieden (vor allem der Hautfarbe und des Wuchses) beruhen, sind
biologisch nicht sinnvoll; und die Rassen, die man biologisch sinnvoll
definieren kann, kann man nicht sehen (2/94) ergo ist jeder,
der von ihnen redet, ein Rassist, so auch Türcke, denn die Rassenfrage
sei nur für solche Personen von Bedeutung, die Rassenpolitik
treiben wollen was immer das heißen mag. Analog dazu haut auch die KONKRET-Redaktion daneben. Türcke
will nicht Rassenpolitik treiben, auch nicht eine solche anregen. ____________________________________________ (1) Hier und im folgenden wird stets der Autor des Zitates und die Nummer des KONKRET angeführt, der die zitierte Passage entnommen ist.(Erschienen in: FORVM, Juni 1994) |