DAS GRUNDEIGENTUM ALS GRUNDLAGE ALLEN PRIVATEIGENTUMS
Einleitung: Armut und Reichtum, Eigentum und Ausschluß an der Frage des Bodens Das Eigentum an Grund und Boden ist die unmittelbarste Form des Eigentums. Erstens ist sie die erste, die gewaltmäßig eingerichtet wurde und aufrechterhalten wird – alles andere Eigentum folgt aus und beruht auf dem Grundeigentum. Zweitens ist es auch diejenige, an der augenfällig wird, daß Eigentum auf Gewalt beruht und die Menschheit in Arme und Reiche scheidet: ein Teil der Menschheit bemächtigt sich der Erde und schließt die anderen davon aus. Letztere, die Landlosen und daher Besitzlosen können das Land nicht mehr bestellen, um sich davon zu ernähren, und sie müssen sogar den anderen ein Entgelt dafür entrichten, ein Dach über dem Kopf zu haben und sich nachts irgendwo ungestört zur Ruhe legen zu können. Bereits im Feudalismus schied die Frage des Bodens die Gesellschaft in zwei Klassen: Die Grundherrschaft war die Form, mittels derer die einen gezwungen wurden, für die anderen zu arbeiten. Auf diesem ursprünglichen Akt der Aneignung baut das Privateigentum auf. Mit der „Bauernbefreiung“ wurden die Bauern vom Land vertrieben, das Land also von ihnen „befreit“, und den Grundherren zugesprochen, was erst die Entwicklung einer modernen marktwirtschaftlichen Landwirtschaft ermöglichte, indem jetzt so richtig für Verkauf produziert werden konnte. Diese Befreiung trug auch zur Entstehung des modernen Proletariats bei, des freien Lohnarbeiters, der nichts besitzt und deshalb vom Verkauf seiner Arbeitskraft leben muß. Das älteste Schriftstück, das den Akt der Landnahme und Landwegnahme kodifiziert, ist das „Domesday Book“ Wilhelms des Eroberers, der sein neues Reich gleich einmal absichern wollte, indem er alles Land an seine Getreuen verteilte. Er und seine Nachfolger wollten damit die Verteilung des Bodens offenbar bis zum Jüngsten Gericht festschreiben. Dennoch, oder vielleicht auch deshalb, war England eines der letzten Länder, die ein Grundbuchsystem, also ein amtliches Verzeichnis des Grundeigentums vornahmen: Erst im 20. Jahrhundert wurde ein solches eingeführt und ist noch immer nicht vollständig abgeschlossen. Bis dahin wurden Rechte auf Grund und Boden zunächst im gesamten Britischen Empire, und noch bis zum ersten Weltkrieg auf den Britischen Inseln durch eine Kette von Verleihungs-, Schenkungs- und Kaufurkunden, der sogenannten „deeds“, nachgewiesen. Diese Kette wies praktisch immer Lücken auf, aufgrund derer die Besitzrechte dann von Verwandten oder Nachbarn angefochten werden konnten. Der größte Widerstand gegen die Errichtung eines Grundbuchs kam folgerichtig von dem Heer der Anwälte aus der Provinz, die ihre Pfründe der Rechtsstreitigkeiten um Grundstücke durch ein Register des Grundeigentums gefährdet sahen. In Frankreich ist die Einführung einer Grundbuchordnung eine der vielen staatsmännischen Leistungen Napoleons, nachdem ein bereits unter Colbert in Angriff genommenes Vorläuferprojekt abgebrochen worden war. In Österreich geht das Grundbuch auf das Urbarium Maria Theresias zurück. Diese erstmalige Erfassung allen Grundes war eine Maßnahme gegen das „Bauernlegen“: Damit bezeichnete man die Neigung der Grundherren, Bauern von der Scholle zu vertreiben, um das Territorium, das sie für sich selbst mit Roboten ihrer Untertanen oder mittels Knechten bestellen lassen konnten, zu erweitern. Die Landesmutter störten diese Praktiken, da sie ihre Steuereinnahmen verringerten, die pro Kopf und Nase zu entrichten waren. Der Umstand, daß es dieses Verzeichnis schon so lange gibt und es so genau ist, gibt diesem unmittelbaren Gewaltakt der Aneignung und des Ausschlusses einen Schein von Objektivität. Das Eigentum an einem Grundstück erscheint so natürlich wie der Lauf eines Baches oder die Lage eines Abgrundes. Nach dem Systemwechsel 1989/1990 in Ost- und Südosteuropa wurde die Frage des Grundeigentums virulent. Es galt schließlich, das frühere Staats- bzw. Volkseigentum unter einen Teil der Bevölkerung zu verteilen und die anderen davon auszuschließen. Die meisten postsozialistischen Staaten bevorzugten den Weg der – zumindest formellen – Rückgabe, weil der den Schein der Rechtmäßigkeit hatte: Etwas Vorheriges, ein quasi-natürlicher Zustand, der früher einmal bestand, und dann durch die sozialistischen Unrechtsregimes beseitigt worden war, sollte „wiederhergestellt“ werden. Da jedoch nicht die Wiedereinrichtung des Großgrundbesitzes angestrebt wurde, und auch andere unproduktive Formen des Landbesitzes unerwünscht waren, so wurde dieser Prozeß in einigen Ländern modifiziert. In anderen erwies sich die Restitution als undurchführbar, weil die vorherigen Eigentumsverhältnisse rechtlich nicht abgesichert waren. Dazu einige Fallbeispiele:
Die Ruinierung der ungarischen Landwirtschaft Obwohl es noch andere Faktoren gab, die die seinerzeit sehr produktive ungarische Landwirtschaft ihrer Märkte und Finanzierungsquellen beraubten, wie die Privatisierung des Lebensmittelhandels, das vom IWF ausgesprochene Subventionsverbot und die Assoziationsverträge mit der EG, so war der entscheidende Schritt das 1991 erlassene Entschädigungsgesetz, mittels dessen die Kooperativen aufgelöst und frühere Landbesitzer mit Anteilsscheinen auf einmal von ihnen oder ihren Vorfahren besessene Parzellen ausgestattet wurden. Diese Entschädigungsscheine entwickelten sich zu einem eigenständigen Wertpapier, mit dem auf der neu errichteten Budapester Börse spekuliert wurde. Sie spielten auch eine Rolle bei den Auktionen, bei denen die parzellierten Gründe der Kooperativen versteigert wurden. Oftmals waren die Käufer Juristen, die sie unter der Hand an ausländische (vor allem österreichische und deutsche) Kunden verkauften. Da der Verkauf von landwirtschaftlichem Grund an Ausländer verboten war, nahmen Strohmänner die Stelle der Käufer im Grundbuch ein. Diese auf „Taschenverträgen“ beruhenden Eigentumsverhältnisse sollen ein Drittel der agrarischen Nutzfläche Ungarns betreffen.*1) Die ausländischen Besitzer bauen meistens Futtergetreide an, das sich immer verkaufen läßt und wenig Investitionen erfordert. Oder sie lassen den Grund brachliegen, bis zu einer endgültigen Klärung. Aber auch der Boden, der in ungarischer Hand ist, ist aufgrund komplizierter Steuer-, Subventions- und anderer Regelungen, und der aufgrund der Lage der Staatsfinanzen entstandenen Unmöglichkeit, hier irgendetwas zu kontrollieren (schon die Luftaufnahmen sind zu teuer) eine Quelle des Betrugs und der Steuerhinterziehung. Die ungarische Landwirtschaft, die seinerzeit den ganzen RGW mit Weizen, Wein und Schweinefleisch versorgte, ist unproduktiv: Ungarn importiert inzwischen mehr als es exportiert, die Lebensmittelimporte belasten also die Handelsbilanz, und Grundnahrungsmittel wie Mehl und Zucker sind teurer als in Österreich. (zu den Details der Privatisierung der Landwirtschaft siehe: „Der Niedergang der ungarischen Landwirtschaft seit dem Systemwechsel“ (1993)
Die Bodenfrage in Albanien Im Versuch, zumindest die Herrschaft der Partei zu retten, wenn ansonsten alle Versuche einer Kontrolle des Wirtschaftslebens aufgegeben wurden, verkündete die Regierung von Ramiz Alia 1990-1991 eine Landreform, bei der das Land der Kooperativen in Parzellen von ungefähr einem Hektar aufgeteilt wurde. Heute kann man auf den Satellitenaufnahmen diese unproduktive Zersplitterung des bäuerlichen Grundbesitzes betrachten, die noch dadurch verschärft wird, daß viele ihre Grundstücke nur über diejenigen anderer betreten können. Damals begann der gnadenlose Kampf um das Land als einziger Existenzquelle, und viele Menschen ließen ihr Leben in den Auseinandersetzungen um bessere Böden, Vieh, Sommerweiden, Zugang zu Wasser usw. Die Betroffenen wurden meistens erschossen, ganze Familien wurden so ausgerottet, aber es kam auch vor, daß der Hof der einen von der feindlichen Partei mit Dynamit in die Luft gejagt wurde. Diese Auseinandersetzungen verlagerten sich auf eine andere Stufe, als die Frage der Umwidmung von Agrarflächen in Baugrund in den Vordergrund trat. Vor allem die Umgebung von Tirana und die Küste wurden zum Ziel der oftmals aus dem Kosovo stammenden Immobilienspekulanten, die in das Tourismusgeschäft einsteigen oder sich die Wohnungsnot der nach (dem von 1990 bis 2009 von 280.000 auf über eine Million Einwohner angewachsenen) Tirana strömenden Landbewohner zunutze machen wollten. Die bisherigen Beispiele bezogen sich auf Agrarflächen bzw. Baugrund. Eine weitere Dimension ist die Frage des Bergbaus: Nicht nur der Boden und das was draufsteht, muß als Eigentum rechtlich einzementiert werden, sondern auch das, was drunter ist, damit kapitalistisch blühende Landschaften entstehen können. Umgekehrt-umgekehrt: Gelingt das nicht, so bleiben die Bodenschätze ungehoben.
Die Trepča-Mine im Kosovo Der Bergbau in Trepča bei Mitrovica begann 1926 im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen mit britischem Kapital. Im sozialistischen Jugoslawien wurde Trepča zu einem bedeutenden Kombinat ausgebaut und war bei allem Gejammer über die arme Provinz, den „Zuschußbetrieb“ Kosovo eine bedeutende Devisen-Einnahmequelle Jugoslawiens. In Trepča und den angeschlossenen Bergbaubetrieben Kosovos wurden Blei, Zink und Nickel, aber auch Gold und Silber, Kobalt und Chrom abgebaut. Das Erz wurde größtenteils in kombinatseigenen Schmelzen aufbereitet und sowohl exportiert als zur Weiterverarbeitung in andere Teile Jugoslawiens verfrachtet. Trepča war einmal einer der größten Nickelproduzenten der Welt. Ende der 80-er Jahre beschäftigte das Trepča-Kombinat 20.000 Personen. Im Zuge der Machtergreifung Slobodan Miloševićs und der Besetzung des Kosovo durch die Armee wurden alle albanischen Arbeiter des Kombinats entlassen und durch Serben ersetzt. Trepča wurde später bei Verhandlungen mit dem IWF um Kredite als Sicherheit eingesetzt, was rechtlich sehr dubios war, da in Jugoslawien in der Verfassung von 1974 ausdrücklich das Arbeitereigentum festgelegt worden war, Trepča jedoch von der Regierung als Staatseigentum ausgegeben wurde. Nach dem Einmarsch der NATO-Truppen im Kosovo begann die Aufhebung des Arbeitereigentums und überhaupt aller bisheriger Besitzverhältnisse. Das zentrale Bergwerk bei Mitrovica wurde von den Arbeitern und Angestellten besetzt und im August 2000 von NATO /KFOR-Truppen auf ausdrückliche Anweisung des UNO-Verwalters Bernard Kouchner gewaltsam geräumt. Seither hängen die Betriebe des Kombinats rechtlich, ökonomisch und politisch in der Luft. Sie zu verkaufen, ist praktisch unmöglich, da sie ja keinen Eigentümer haben, der zu einem Verkauf ermächtigt wäre, und Kosovo auch kein richtiger Staat ist, in dem es so etwas wie eine Vertragssicherheit gäbe. Die UNMIK-Verwaltung und die Regierung des Kosovo teilen sich die Einnahmen aus dem Betrieb, in dem ausschließlich albanische Bergleute unter lebensgefährlichen Bedingungen – seit eineinhalb Jahrzehnten wurde dort nichts investiert – weiterhin Erz fördern. Weder gibt es Angaben über Beschäftigungszahlen, noch über Produktion, noch über Einkünfte oder Arbeitsunfälle. Die Schlacke-Abfälle liegen herum, vor allem die Halden der seit 2008 eingestellten Bleiproduktion vergiften die Umwelt. Dazwischen wurden eine Zeitlang Flüchtlingslager für Roma eingerichtet, eine Art schleichendes Euthanasie-Programm. Trepča ist nur das herausragendste Beispiel für das Dilemma Kosovos: Der potentielle Reichtum dieser Gegend liegt unter der Erde, neben den erwähnten Metallen gibt es auch bisher relativ ungenützte Braun- und Steinkohlevorkommen, aber aufgrund des ungeklärten Status’ Kosovos und der ungeklärten Besitzverhältnisse findet sich kein Unternehmen unter den großen internationalen Bergbau-Multis, das auch nur einmal die Kosten für die Prospektierung, also Erfassung der Möglichkeiten des Bergbaus, auf sich nehmen würde. Nur so viel zu diesem gewaltsam geschaffenen „Armenhaus“ Europas.
Die Vertreibung aus dem Paradies: Der Goldbergbau in Roşia Montană Der Bergbau in der heute ca. 3000 Bewohner zählenden Ortschaft Roşia Montană im siebenbürgischen Erzgebirge reicht zurück bis in die römische Zeit. Bis zum Ende des 2. Weltkriegs wurde das Gold in Familienbetrieben abgebaut. Roşia Montană war lange die ergiebigste Goldabbaustätte Siebenbürgens, unter ungarischer, österreichischer und rumänischer Oberhoheit. Nach 1945 wurden die bisherigen Eigentümer enteignet. Der Bergbau ging zurück. Nach der Wende scheint es wieder zögerliche Versuche gegeben zu haben, mit dem Bergbau fortzufahren. Aber es war eine kanadische Firma, Gabriel Resources, die den Ort aus dem Dornröschenschlaf weckte und seither seine Existenz bedroht. Diese Firma erhielt 1999 – nicht, wie Wikipedia behauptet, unter der Regierung Iliescu, sondern unter der Regierung Constantinescu – die Konzession für die Prospektierung und den Abbau von Gold im Tagbau in Roşia Montană. Sie plant zwei große Cyanidbecken zu errichten, in denen – wie heute im Goldbergbau üblich – das Gold aus dem Erz herausgewaschen wird. Um den Tagbau und die Becken zu errichten, muß der Ort – der unter dem Namen Alburnus Maior von den Römern als Goldabbaustätte genutzt wurde – verschwinden, damit auch seine Bewohner. Die rumänische Verfassung von 1991 erklärt alle Bodenschätze zu „Nationaleigentum“, über das ausschließlich der Staat verfügen darf. Damit sind die seinerzeitigen Enteignungen in Roşia Montană – und auch in anderen Bergbaugegenden – legal und unwiderruflich. Das Privateigentum wurde zu Staatseigentum, und der Staat kann nach Gutdünken wieder privatisieren – so, wie es eben in solchen Fällen üblich ist, mit Konzessionen, also Pachtverträgen über Jahrzehnte. Gabriel Ressources gründete das Joint Venture „Roşia Montană Gold Corporation“, in dem der rumänische Staat 19% besitzt. Sie wollen Roşia Montană zur größten Goldmine Europas ausbauen. Und sie machten sich daran, die Bewohner der Ortschaft mit Abschlagszahlungen und Ersatzwohnungen zum Verlassen des Ortes zu bewegen. Diese Tätigkeit begann im Jahr 2000 und setzt sich bis heute fort. Als im gleichen Jahr der Damm eines Cyanidbeckens im nordwestlichen Rumänien, in der Stadt Baia Mare brach und das ausfließende Cyanid die Theiss und Donau verseuchte, richtete sich die internationale Aufmerksamkeit auf das Projekt in Roşia Montană. Schließlich war der Vertrag und das Joint Venture „Aurul“ in Baia Mare ähnlich gestrickt: Eine Konzession, laxe Sicherheitsvorschriften, das Interesse der rumänischen Regierung an ausländischem Kapital und Einnahmen aus dem Bergbau, und sehr großzügige Vernutzung von Land und Leuten für das allgemein respektierte Prinzip des Gewinns. Und der bis dahin lokale und isolierte Widerstand der Bewohner von Roşia Montană gegen die Zerstörung ihres Lebensraums erhielt Unterstützung von außen. Unter anderem erhob die ungarische Regierung Einspruch, was in Rumänien zum Ausspielen der nationalen Karte führte, ohne großen Erfolg allerdings. Es ist augenfällig, daß es hier um Geld geht und nicht um nationale Werte, wenn sogar römische Ausgrabungen, die in Rumänien stets gefördert und als Beweis der dakoromanischen Kontinuitätstheorie hochgehalten werden, in diesem Fall Cyanidseen weichen sollen. Im Film „Neues Eldorado“ (2004) von Tibor Kocsis kommt der Präsident der Bürgerinitiative „Alburnus Maior“, die zur Verhinderung dieses Bergwerks gegründet wurde, zu Wort. Er schildert, wie die kurz „Gold“ genannte Firma vorgeht. Sie pirscht sich vor allem an die jungen Männer der Ortschaft heran, die meistens arbeitslos und ohne Perspektive sind. Gegen Geldzahlungen und Versprechen auf Arbeitsplätze bzw. Anstellung in dem bereits von der Gold Corporation betriebenem Abbau, sowie eigene Wohnungen, sogar Häuser im Nachbarort oder der nächsten Stadt überreden ihre Agenten sie, Verkaufsurkunden für die Häuser zu unterschreiben, deren Besitzer sie oft gar nicht sind. Die Eltern erfahren meist erst, wenn die Umzugskommission vor der Tür steht, daß sie aus ihrem Haus ausziehen müssen. Bis sie von ihrem neuen Wohnort aus Einspruch erhoben haben und das Gericht die Sache behandelt, sind bereits Fakten gesetzt und das Haus steht nicht mehr. Oder, wenn sie vorher davon erfahren, werfen sie den Sohn hinaus, auf Nimmerwiedersehen. „Tragödien haben sich hier abgespielt“, erzählt Eugen David. „Die Generationen wurden gegeneinander aufgehetzt, die Familienstrukturen zerstört. Väter und Söhne sprechen nicht mehr miteinander.“ Besonders entrüstet sind die orthodoxen Popen. Erstens ist schon die Zerstörung eines Gotteshauses für sie ein Akt der Blasphemie, weil Kirchen kann es ihrer Ansicht nach nie genug geben. Aber das Schlimmste wäre das Übersiedeln des Friedhofes. „Wenn ich einen Angehörigen meiner Gemeinde begrabe“, so einer dieser würdevollen Herren, „so gebe ich ihm mit den Worten: Ruhe hier in Frieden bis zum Tag des Jüngsten Gerichts! den ewigen Segen. Und jetzt kommt diese Firma »Gold« daher und spielt Jüngstes Gericht?!“ Ebenso kommen in diesem Film Mitglieder einer EU-Kommission zu Wort, die sich zu der Umweltverträglichkeit äußern sollen. (Der Film wurde noch vor dem EU-Beitritt Rumäniens gedreht, die Aussagen der Kommissionsmitglieder waren nicht verbindlich.) Ein schwedisches Mitglied gibt stellvertretend für die anderen von sich, daß das Verfahren, Gold im Tagbau abzubauen und in Cyanidbecken unter freiem Himmel zu verarbeiten, internationalen Standards entspräche und die EU hier überhaupt nichts machen könne. Mit Berufung darauf, wie die Arbeiter in Goldbergwerken in Südafrika, Brasilien oder Indonesien schuften müssen, und wie dort die Gegend verdreckt wird, soll dergleichen in relativ unmittelbarer Nähe in Europa auch stattfinden dürfen! Seit 2000 sind Gerichtsverfahren anhängig, in der Provinzhauptstadt Alba Iulia und auch beim rumänischen Verfassungsgericht. Seit dem EU-Beitritt ist auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgeschrieben. Aber das Steigen des Goldpreises und die finanzielle Bedrängnis Rumäniens lassen das Pendel zugunsten der Bergbaufirma ausschlagen. Sie arbeitet unablässig weiter an der Liquidierung des Ortes und der Verwirklichung ihres Projektes. Auf ihrer Website stellt sie sich als wahre Beschützerin der Umwelt, Arbeitsplatz-Spender, Verkörperung des Fortschritts und Förderer der Kultur dar.
Schlußbemerkung In seiner Schrift „Die Eroberung des Brotes“ schreibt Kropotkin – gegen die Kollektivisten, die das auf eigener Arbeit beruhende Kleineigentum bestehen lassen wollten –, daß es im Sinne einer wirklichen Gesellschaftsveränderung unumgänglich sei, das Eigentum dem Prinzip nach aufzuheben. Alles andere, so meinte er, würde zu einer Kommandowirtschaft, die Stadt und Land gegeneinander aufbringt, oder zu einer neuen Eigentumsordnung führen. Er schrieb das in den Jahren 1890-92, 25 Jahre vor der Oktoberrevolution. Beides ist – wenn auch mit Zeitverschiebung – eingetreten. ______________________________________ *1) Seit der Abfassung dieses Textes wurde in Ungarn einiges unternommen, um diese illegalen Verträge aus den 90-er Jahren aufzulösen. Mittels Gerichtsverfahren wurden die Taschenverträge, die dann als Leibrenteverträge verkleidet wurden, für nichtig erklärt und eine Neuordnung des landwirtschaftlichen Besitzes in Angriff genommen, der dem auländischen Agrarkapital die Möglichkeit eröffnete, die Ackerböden Ungarns produktiver zu nutzen.
*********************************
Dieser Artikel war ein Beitrag zu dem Band „Land und Freiheit – Zum Diskurs über das Eigentum an Grund und Boden in der Moderne“, das Anfang 2013 im Promedia-Verlag erschienen und dort zu beziehen ist. |