Die
Geschichte des Bank- und Handelshauses Sina
INHALT:
EINLEITUNG: DER KAUFMANN ALS AGENT
DES WERTS
I. DIE ÖSTERREICHISCHE HANDELSPOLITIK
UND DIE GRIECHEN
1. Die Anwendung und das Scheitern
merkantilistischer Prinzipien in Verbindung mit dem Levantehandel
XX1.1. Wirtschaftspolitik als Zollpolitik
XX1.2. Das Verhältnis zum Osmanischen Reich
XX1.3. Die türkischen Untertanen
XX1.4. … und deren Fehler: Die unzureichende Produktion Österreichs
2. Die Griechen
XX2.1. Das Auftauchen der Griechen in Österreich
XX2.2. Die Griechen in Ungarn und in den Erblanden – vaterlandslose Gesellen
XX2.3. Die Organisationsformen der griechischen Kaufleute
XX2.4. Die Handelsverbindungen und das Kreditwesen der Griechen
II. DER BAUMWOLLHANDEL, DIE NAPOLEONISCHEN
KRIEGE UND DIE ANFÄNGE DES BANKHAUSES
1. Die Baumwolle
2. Napoleon, die Baumwolle und Illyrien
3. Die Anfänge des Bankhauses
III. DIE HANDELSTÄTIGKEIT GEORG
SINAS
1. Der Tabakhandel
XX1.1. Vorgeschichte: Tabak, Händler und Tabak-Gefälle
XX1.2. Der erste Liefervertrag
XX1.3. Tabak-Anbau, Handel und „Einlösung“
XX1.4. Der zweite und dritte Liefervertrag
XX1.5. Der vierte Liefervertrag
XX1.6. Interregnum: Der Tabakhandel von 1844 bis 1850
XX1.7. In Konkurrenz mit dem Tabakmonopol
2. Die Wolle
3. Sonstiges
XX3.1. Holz und Kohle
XX3.2. Salz
XX3.3. Kupfer?!
IV. DIE FINANZTÄTIGKEIT DES
BANKHAUSES
1. Geschäfte mit dem Staat
XX1.1. Das Kreditwesen im Vormärz.
Die Wechselhäuser
XX1.2. Anleihen
XXXX1.2.1. Eine gewöhnliche Metalliques-Anleihe (1841)
XXXX1.2.2. Eine Konversionsanleihe (1830)
XXXX1.2.3. Eine Losanleihe (1839)
XXXX1.2.4. Das Nationalanlehen von 1854
XXXX1.2.5. Das Anleihengeschäft nach 1849
XX1.3. Die Renturkunden des lombardo-venezianischen
Monte
XXXX1.3.1. Vorgeschichte: Das Finanzsystem Lombardo-Venetiens und der napoleonische
XXXXXXXXMonte
XXXX1.3.2. Der lombardo-venetianische Monte
XXXX1.3.3. Sinas erste Geschäfte mit den italienischen Obligationen
XXXX1.3.4. Die endgültige Einbeziehung des Monte in das System der
österreichischen XXXXXXXXXStaatsanleihen
XX1.4. Das Auffüllen des Bankschatzes
und die Abwicklung des Zahlungsverkehrs im Inland
XX1.5. Der Zahlungsverkehr mit dem Ausland,
besonders im Jahre 1848
2. Darlehen an die Gemeinde Wien
XX2.1. Darlehen zur „Verproviantierung der Stadt“
XX2.2. Darlehen für den Bau einer Wasserleitung
3. Privatkredit
XX3.1. Die Privatanleihe
XX3.2. Gewöhnliche Darlehen an Privatpersonen
XX3.3. Kontoführung, Filialen, Überweisungen
XX3.4. Handel mit Wertpapieren
XX3.5. Handel mit Wechseln und Schuldscheinen
V. UNTERNEHMUNGEN
1. Fabriken und Manufakturen
XX1.1. Zuckerraffinerien
XX1.2. Andere Fabriks-Unternehmungen
2. Finanzkonsortien
XX2.1. Die Privilegierte österreichische Staatsbahn-Gesellschaft
XX2.2. Die Idee des Credit Mobilier und die gescheiterte Bankgründung
VI. DER GRUNDBESITZ
1. Städtische Immobilien
2. Landgüter
XX2.1. Die Anfänge des Imperiums
XX2.2. Die Grundkäufe der 30er Jahre. Die Hilfe Eichhoffs
XX2.3. Erweiterung und Ergänzung. Nützliche Konkurse
XX2.4. Nutzung und Verwaltung
VII. DIE MACHT DES STAATES UND DIE
PRIVATMACHT DES GELDES: GEORG SINA ALS DIREKTOR DER NATIONALBANK
1. Der Bankschatz
2. Die Konvertibilität der Banknoten
3. Das Wechselescompte
4. Gefahren für den
Staat, die Nation, die Bank: 1848-49
XX4.1. Die Kossuth-Noten
XX4.2. Kredite für Handel und Industrie
XX4.3. Der Kreditbedarf des Staates
5. Der Liberalismus und seine Grenzen
ANHANG
TABAKPREISE UND DER VERBRAUCH DER TABAKREGIE
1818-1852
STAATSANLEIHEN UND NOTENUMLAUF 1820-1864
ARCHIVE UND BESTÄNDE
LITERATUR
_____________________________________________________________________________
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The tomb of the Sinas in Rappoltenkirchen/Lower
Austria
Die Gruft der Familie Sina in Rappoltenkirchen/ Niederösterreich |
I. DIE ÖSTERREICHISCHE HANDELSPOLITIK
UND DIE GRIECHEN
1. Die Anwendung und das Scheitern
merkantilistischer Prinzipien in Verbindung mit dem Levantehandel
1.1. Wirtschaftspolitik als Zollpolitik
Die österreichische Wirtschaftspolitik
war seit ihren Anfängen merkantilistisch, d.h., auf Erzielung eines
Handelsüberschusses orientiert. Als Mittel zur Steuerung der Ein-
und Ausfuhr entdeckte die Staatsverwaltung im 18. Jahrhundert ihre Zollhoheit.
Lokale Zölle und Mauten wurden abgeschafft und die Zölle an
der Außengrenze sollten von nun an zweierlei, keineswegs verträglichen
Bedürfnissen dienen: Mittel zur Steuerung der Wirtschaft zu sein
und der Staatskasse Einnahmen zu verschaffen. Die Debatten diverser
Regierungen um Erhöhung oder Senkung der Zollsätze wurden
zwar unter Zuhilfenahme aller gängigen zeitgenössischen volkswirtschaftlichen
Theorien über das Wohl der Nation und wie dieses zu bewerkstelligen
sei, geführt, aber schließlich setzte sich immer die unmittelbare
Notwendigkeit, einen Krieg, ein stehendes Heer oder ähnlich kostspielige
Dinge finanzieren zu müssen, als letztes Argument in diesen Debatten
durch. Die wenigen Anhänger des Freihandels oder auch nur der Beseitigung
der inneren Zollgrenze zwischen Österreich und Ungarn konnten sich
schon deswegen nie durchsetzen, weil ihre Vorschläge auf einen
Schlag den Staat einer Einnahmequelle beraubt hätten, ohne
einen gleichwertigen Ersatz zu bieten.
Die Prinzipien der Wirtschaftspolitik und die Bedürfnisse der Staatskasse
gerieten sich bei den Einfuhr-, den Ausfuhr- und den Transitzollsätzen
in die Quere. Sobald die Produktion eines Artikels im Inland und seine
Ausfuhr durch niedrige Zollsätze gefördert werden sollte,
erhoben sich gegenteilige Stimmen, die darauf hinwiesen, daß man
Zölle, und zwar nicht allzu niedrige, eben gerade auf gängige
Artikel erheben müsse, da Dinge, die kaum exportiert wurden, zu
wenig Zolleinnahmen einbrachten. Hohe Zollsätze verursachten wiederum
nicht nur eine Verteuerung der Waren und daher ein Nachlassen des auswärtigen
Interesses an der jeweiligen Ware, sondern auch eine Zunahme des Schmuggels,
dessen systematische Bekämpfung außerhalb der Möglichkeiten
des damaligen Grenzpersonales lag.
Ähnlich verhielt es sich beim Import: Anhänger des Merkantilismus
betonten die Notwendigkeit der Einfuhr von in Österreich nicht
vorfindlichen Industrierohstoffen. Andere zogen in Zweifel, ob diese
Materialien überhaupt in Österreich verarbeitet würden
und ob nicht niedrige Zölle von gewissenlosen Subjekten dazu benützt
würden, einen schwunghaften Transitohandel damit zu treiben. Die
Einfuhr von Luxusgütern für den inländischen Konsum sollte
tunlichst unterbunden werden, um den Abfluß von Geld ins Ausland
zu verhindern, aber hohe Zollsätze führten auch hier, und
noch mehr als bei der Ausfuhr, zu einer Zunahme des Schmuggels, nicht
zu einer Verringerung der Einfuhr.
Ein drittes war der Transithandel, der vor allem im Zusammenhang mit
der Levante von Bedeutung war. Hohe Zollsätze konnten hier zwar
ohne die Gefahr der Beeinträchtigung der einheimischen Produktion
verordnet werden, bargen aber die Gefahr in sich, daß die Handelszüge
dann eine andere Route einschlugen und das Gebiet der Monarchie umgingen.
Das wollte die österreichische Regierung unter allen Umständen
vermeiden, nicht nur wegen der Zolleinnahmen, sondern auch um des politischen
Gewichtes willen, welches Österreich als Transitland besaß
oder zumindest zu besitzen vermeinte.
Bei all diesen Debatten erwies sich
1. daß eben alle diese Maßnahmen, so sehr ihre Notwendigkeit
auch vom jeweiligen Staatsoberhaupt und dessen Ratgebern eingesehen
und gebilligt wurden, hinter dem dringlicheren Anliegen des Füllens
der Staatskasse zurückstehen mußten, und
2. daß Zölle ein sehr schwaches Mittel der Wirtschaftspolitik
waren, wenn sie nicht durch andere Maßnahmen gestützt wurden.
Merkantilistische Prinzipien wurden nicht
nur bei der Festlegung der Zolltarife erhoben, sondern auch, und hier
mit mehr praktischen Folgen, bei der Förderung inländischer
Wirtschaftszweige. Während der Regierungszeit Maria Theresias und
später wurden auf den Krongütern im Banat eine Reihe von landwirtschaftlichen
Experimenten unternommen, deren Motiv darin lag, die Einfuhr
teurer Produkte durch eigene Produktion derselben zu unterbinden. Damals
wurde dort mit mehr oder weniger befriedigenden Ergebnissen der Hanfanbau,
die Seidenzucht und der Anbau verschiedener Färbepflanzen unternommen.
Andere Versuche, wie die des Anbaus von Pfeffer, Reis und Baumwolle,
scheiterten an den klimatischen Bedingungen.
Die österreichische Wirtschaftspolitik im 18. Jahrhundert orientierte
sich also am Außenhandel. (Wirtschaftliche Überlegungen mußten
allerdings dabei oft politischen Rücksichten weichen.) Besonders
anschaulich stellt sich diese Wirtschaftspolitik gegenüber dem
Osmanischen Reich dar. Die Einsicht, daß England und Frankreich
als Vorbild der wirtschaftlichen Entwicklung angesehen werden
müßten, daß Österreich jedoch nicht ernsthaft
daran denken könne, mit diesen Ländern auf dem Gebiet der
Manufakturprodukte zu konkurrieren, hatte sich in österreichischen
Regierungskreisen durchgesetzt. Das Osmanische Reich hingegen, mit seinen
archaischen Produktionsmethoden, seiner Behördenwillkür und
Korruption, ohne eine sichtbare ordnende Hand in der Verwaltung,
dieses Gebilde schien den merkantilistischen Politikern wie geschaffen,
um als Markt und Rohstofflieferant einer sich entwickelnden österreichischen
Manufaktur zu dienen.
1.2. Das Verhältnis zum Osmanischen
Reich
Nach den siegreichen Türkenkriegen
Österreichs unter Karl VI. wurden die Konditionen und Freiheiten
für die Händler beider Staaten in den Friedenstraktaten von
Karlowitz 1699 und Passarowitz 1718 festgelegt. Die Bestimmungen des
letzteren, genauer: des anläßlich des Friedensschlusses zusätzlich
abgeschlossenen Handelstraktates waren die nächsten eineinhalb
Jahrhunderte lang die Grundlage für alle Verhandlungen mit und
Maßnahmen gegenüber dem Osmanischen Reich. Sie wurden im
Frieden von Belgrad 1739 im großen und ganzen bestätigt,
ansonsten je nach Stand der Kräfteverhältnisse zwischen den
beiden Staaten und gegenüber anderen, gleichfalls am Levantehandel
interessierten Staaten, modifiziert.
Zur Zeit des Friedensschlusses von Passarowitz stand Österreich
auf dem Höhepunkt seiner militärischen Macht und territorialen
Ausbreitung und die Regierung war fest entschlossen, diese Überlegenheit
auch auf die zivile Sphäre des Handels zu übertragen. In diesem
Traktat wird als wichtigste Bestimmung festgehalten, daß die Untertanen
beider Länder auf dem Gebiet des anderen Staates frei Handel treiben
dürfen und nur beim Überschreiten der ausdrücklich
türkischen Landesgrenze 3% Zoll entrichten müssen,
darüber hinaus soll nicht das mindeste mehr zu fordern jemand
sich unterstehen. (Art. III.) (Später wurde dieser Zollsatz
auf 5% erhöht.) Wenngleich gerade diese Bestimmung für die
Untertanen der beiden Reiche gilt, so ist ansonsten dem gesamten Traktat
zu entnehmen, daß es eigentlich die Freiheiten der österreichischen
Bürger in der Türkei zum Inhalt hat und daß die
türkischen Untertanen nur hin und wieder aus diplomatischer Rücksichtnahme auch mit einigen Freiheiten ausgestattet werden: Über die
Zahlung der Mautgebühr hinaus sei keiner aus den kaiserlichen
Kaufleuten zu belästigen. Der türkische Mautbrief (treskere)
soll den österreichischen Untertan vor weiteren Gebühren schützen.
(Art. III.) Die Donau soll von beiderlei Untertanen befahren werden,
einschließlich Benutzung der Häfen, namentlich genannt werden
jedoch nur Donauhäfen auf dem Gebiet der Türkei. (Art. II.)
Als österreichische Untertanen sind Deutsche, Niederländer,
Italiener, Hungarn aller Konfessionen zu verstehen, selbst wenn
sie der Kaiserlich-Königlichen Herrschung nur auf
einige Zeit
untergeben
sein möchten (Art. I.)
Schiffe unter österreichischer Flagge sollen alle Seehäfen
des Osmanischen Reiches anlaufen dürfen. (Art. VII.) Der Artikel
XIV. verpflichtet die Pforte, den in der Türkei handelnden österreichischen
Kaufleuten die dortigen Juden vom Leibe zu halten. Österreichische
Untertanen sollen der osmanischen Gerichtsbarkeit nur bedingt unterstellt
und durch Konsuln geschützt werden (Art. V.), von türkischen
Behörden gegebenenfalls Schutzbriefe verlangen (Art. XIII.), und
Lagerräume und Herbergen in der Türkei benützen dürfen.
(Art. XV.) Mit Ausnahme der Bestimmung des Zolles und dem Zugeständnis,
daß auch die Pforte Prokuratoren zum Schutz ihrer
Untertanen in die Monarchie entsenden darf, ist keine dieser Bestimmungen
wechselseitig, sondern ausschließlich zum Schutz der Bürger
der Monarchie in der Türkei bestimmt.
Mit diesem Vertrag, so die Erwartung der österreichischen Regierung,
waren die Grundlagen für rege und zu Gunsten Österreichs ausschlagende
Handelsbeziehungen mit der Türkei gegeben. Österreich beabsichtigte,
als Ergebnis der Türkenkriege die Rolle Venedigs im Levantehandel
zu übernehmen. Allerdings unter geänderten Bedingungen: Auf
dem Seeweg, der der wichtigere war, konnte Österreich nie
mit den anderen mit der Türkei handelnden großen Nationen
konkurrieren. Die österreichischen Häfen lagen einfach ungünstig,
und sie konnten sich nie so recht als internationale Handelsplätze
etablieren. Nur mit besonderen Freiheiten gelang es, nach Meinung der
Börsendeputation 1801, Triest als Handelsplatz überhaupt
zu halten, da die Fracht dorthin teurer käme als in irgendeinen
anderen der mitbuhlenden Häfen des Nord und Mittelmeeres.
Die Bemühungen Österreichs konzentrierten sich daher im weiteren
darauf, sich wenigstens als Hauptabnehmer und als Transitland für
die Landfracht zu etablieren.
Handel wurde übrigens auch in diesem Falle keineswegs
rein ökonomisch aufgefaßt: Die in der Vorstellung
der Regierung sich im Nachbarland tummelnden österreichischen
Kaufleute sollten Mittel zur Einflußnahme auf und Grund zur Einmischung
in die inneren Angelegenheiten der Türkei sein.
Die handelspolitische Rechnung ging nur teilweise auf. Es entwickelten
sich zwar rege Handelsbeziehungen und Österreich etablierte sich
als Transitland, aber nicht in der Form, wie dies angestrebt worden
war. Die Handelsbilanz Österreichs war gegenüber der Türkei
über ein Jahrhundert lang negativ. Die Klagen über den
Abfluß von Edelmetall in die Türkei füllen Bände
und waren Gegenstand der Besorgnis mehrerer österreichischer Kaiser.
Es fehlte nicht an Erlässen, die diesem Übelstand Abhilfe
schaffen sollten vergeblich. Die Vollstrecker dieses Handelspassivums
waren die Kaufleute aus dem Osmanischen Reich und sie wurden
als die Hauptverantwortlichen daür betrachtet, warum die scheinbare
Überlegenheit Österreichs sich auf dem Gebiete des Handels
so wenig Geltung verschaffen könne.
1.3. Die türkischen Untertanen
Während der napoleonischen Kriege
wurde die Frage des Levantehandels aus mehreren Gründen wieder
sehr aktuell. Eine Reihe von Gutachten sollte Vorschläge zur Verbesserung
erbringen. Die wichtigste Frage an die verschiedenen Institutionen lautete,
durch welche Mittel vorzüglich der große Zweck erreicht
werden könne, den für Österreich so wichtigen Levantiner
Handel den Händen der türkischen Untertanen zu entreißen
und den österreichischen zuzuwenden. Die Bankal-Administration,
das Cambio-Mercantil-Gericht, die Fabriksinspektion und die niederösterreichische
Landesregierung kamen unabhängig voneinander zu dem gleichen Schluß:
Daß es für diesen Zweck eigentlich keine Mittel gebe.
Der Versuch der Ansiedlung österreichischer Handelshäuser
im Osmanischen Reich sei vom Handelshaus Fries versucht worden
und kläglich gescheitert. Das läge unter anderem daran, daß
die österreichischen Waren in der Türkei nicht mit den französischen,
englischen und holländischen konkurrieren könnten. Die Wechsel
in der Türkei hätten eine längere Laufzeit als die österreichischen.
Schließlich gäbe es in der Türkei häufig Pestepedemien.
(Hier wird stillschweigend unterstellt, daß österreichische
Untertanen davon schwerer betroffen sind als türkische Händler.)
In ähnlicher Weise wird die im Osmanischen Reich übliche Bestechung
der Behörden als ein Hindernis vorgestellt, das den ausländischen
Kaufmann schwerer träfe als den dortigen.
Die Trägheit der österreichischen Händler, die
lieber Export-Import-Firmen in Wien betrieben und dafür die für
den Transithandel gedachten günstigen Zollsätze ausnutzen,
anstatt sich um den Export österreichischer Produkte in die Türkei
zu bemühen, wird in diesen Gutachten wiederholt beanstandet. (Wegen
der Kontinentalsperre verlief der Levantehandel in dieser Zeit fast
ausschließlich über Land bzw. über die Donau. Österreich
versuchte, ihn durch niedrige Zollsätze auf österreichisches
Staatsgebiet zu lenken.) Diese einheimischen Kaufleute, so die Beschwerde,
bemühten sich gar nicht, inländische eingestandenermaßen
minderwertigere Waren zu verkaufen. (Denn wenn ihm,
d.h. dem Käufer aus der Türkei auf dem hiesigen Platz
englische und französische Waren angeboten werden, so wird er sie
unstreitig den österreichischen vorziehen. ) Die einzigen,
die österreichische Manufakturprodukte nach der Türkei ausführten,
seien meist in Wien ansässige türkische Untertanen.
Deren Charakter stellt sich als ein Sammelsurium von Tugenden und Untugenden
dar, die eines gemeinsam haben: Sie laufen den österreichischen
Handelsinteressen zuwider:
Diese maßen sich alle Arten des Verkehrs an. Es
gebe Spekulanten unter ihnen, die das ganze Jahr keinen Ballen Baumwolle
beziehen, sondern sie geben nur Verkäufer auf dem hiesigen Platz
ab, wodurch sie die Ware außerordentlich verteuern
Mit
dem Speditionshandel treiben sie den größten Unfug
Die Zollbehörden und Paßämter verzweifeln an den griechischen
und türkischen Händlern, nicht wissend, ob dieser oder
jener für einen türkischen oder kaiserlichen Untertanen sicher
oder unsicher anzusehen sei. Armenier, Raitzen (=
Serben) und türkische Juden trieben in Wien alle
Arten von Wucher und Maklerei-Geschäften. Dann handelt
der Türke und Grieche pilgrimsweise: Er kommt selbst mit seinen
Waren hierher und geht mit jenem, was er erhält, zurück.
Er zeichne sich durch Sparsamkeit aus. Seine Familienbeziehungen nütze
er schamlos aus, um Waren günstiger zu erhalten. Weiters seien
die unzähligen sowohl in Ungarn als auch hier befindlichen
Griechen eine wahre Pest für den hiesigen Handel
Sie untergraben
allen Kredit, betrügen auf jede Art und Weise, verteuern nicht
nur türkische Produkte, sondern jede andere Gattung von Waren,
entweichen
nach Ungarn oder in die Türkei und lassen ihren
Gläubigern das Nachsehen über. Man solle sie in eine
eigene Vorstadt verbannen, dort ließen sie sich leichter
beobachten. Letzteres verwirft ein anderes Gutachten: Solche
gehässigen Maßregeln würden den Zusammenhalt dieser
Personengruppe eine ihrer Stärken nur vergrößern.
Man sollte zu anderen Maßnahmen greifen, um ihnen das Leben schwer
zu machen, z.B. ihre Pässe nicht verlängern, sowie Vorschriften
erlassen, die die Einheimischen den türkischen Untertanen gegenüber
begünstigten und die Einhaltung dieser Vorschriften strenger überprüfen,
weiters sie auf keine Weise bei Errichtung von Handlungen
begünstigen.
Es war gängige Praxis der Behörden, denjenigen Kaufleuten
aus der Türkei, die sich zu österreichischen Untertanen erklärten,
die Handelsbefugnis zu verweigern und sie an andere Erwerbszweige
anzuweisen. Das hatte zum Ergebnis, daß sie ihren Handel
ohne Befugnis fortsetzten. In einem Gesuch um Erteilung der Befugnis
aus dem Jahre 1802 gaben die 12 Bittsteller an, seit 10, 20 oder 30
Jahren in Wien Handel zu treiben, und ausreichend Vermögen zu besitzen,
all das, wie das Merkantilgericht verärgert feststellte, ohne irgendeine
Handels-Befugnis. Für die Überprüfung dieser Firmen erklärte
sich das Merkantilgericht unzuständig, weil erst befugte Kaufleute
in seine Kompetenz fielen. Die Behörden wollten dem Gesuch nicht
stattgeben, um nicht die außergesetzliche Tätigkeit im Nachhinein
zu belohnen, und so blieb alles beim alten: Die Griechen
handelten weiter, ohne Befugnis, und die Behörden beschwerten sich
weiter über die unter den Griechen herrschende Unordnung.
Auch die Frage, wer jetzt eigentlich österreichischer Untertan
sei und wer nicht, war nicht einfach zu klären, und die türkischen
Untertanen konnten der österreichischen Gerichtsbarkeit nicht unterworfen
werden. 1808 erhob der Geschäftsträger der Pforte in Österreich
Beschwerde wegen des Vorgehens der Behörden gegen einige Griechen,
die türkische Untertanen waren, und der Beschwerde wurde sofort
stattgegeben, den betroffenen Kaufleuten alle beschlagnahmten Waren
zurückgegeben, da Österreich damals an einem guten Verhältnis
zur Pforte interessiert war und sich keine Verletzung der Traktate zuschulden
kommen lassen wollte.
Den Griechen im besonderen bescheinigt das Gutachten darüber hinaus
höchste politische Unzuverlässigkeit: Sie zeigen
stets eine besondere Anhänglichkeit an den russischen Zepter
wie denn die Erfahrung lehret, daß man in den Wohnungen
auch der gemeinsten Griechen, die für Bilder eine sonderbare Vorliebe
hegen, überall die Abbildungen der russischen Regenten und Feldherren
antrifft, vergebens aber jene der österreichischen sucht.
Dieser Sichtweise der Behörden schlossen sich die von ihnen gleichfalls
geschmähten österreichischen Kaufleute an und forderten mit
ähnlich schmeichelhaften Charakterisierungen ihrer unliebsamen
Konkurrenten Schutz gegen diese. Ein besonders schönes Dokument
dieses Brotneides ist ein Gesuch zweier jüdischer (!) Händler
aus dem Jahre 1803, in dem sie Erhöhung der Zölle auf die
Waren der türkischen Untertanen verlangen, da diese keine Steuern
zahlen, aber doch staatlich subventionierte Lebensmittel konsumieren!
Die Ausländer, welche sich hier befinden, nicht allein daß
sie zu keiner Staats-Abgabe etwas beitragen, sondern auch durch die
große Anzahl derselben vieles zur Teuerung beitragen, wodurch
das allerhöchste Ärarium jährlich beträchtlichen
Verlust erleidet als an Fleisch, Brot etc., welche Vorteile die österreichischen
Untertanen im Ausland nicht genießen. Außerdem würden
durch den Handel mit der Türkei und den Transport der von dort
eingeführten Waren österreichische Brücken und Straßen
benützt und in Mitleidenschaft gezogen ein Grund mehr, so
meinen die Verfasser, die türkischen Händler verstärkt
zur Kasse zu bitten.
1.4.
und deren Fehler: Die unzureichende
Produktion Österreichs
Die Fabriks-Inspektion schließt
sich zwar auch dem Geschimpfe auf die türkischen Händler an,
weist aber darüber hinaus auf einen der wirklichen Gründe
für die ungünstige Entwicklung des Handels hin, nämlich
auf das Niveau der österreichischen Manufakturproduktion. Sie errechnet
im Gegensatz zu den optimistischeren Daten, die im Bericht der
Bankal-Administration aufscheinen , ein Passivum von 5 Millionen
Gulden, das notwendig einen Abfluß von Edelmetall zur Folge haben
müsse, denn: Eine Kompensierung in Wechseln finde nicht statt,
weil wir mit keiner Nation einen Aktivhandel haben (Hervorhebung
A. L.), folglich die Türken mit ihren Forderungen nicht an jene
weisen können. Der Außenhandel mit der Türkei
würde erst aktiv, wenn Österreich mehr produziere. Bis heute,
so schließt dieses Gutachten, könne nicht einmal der Inlandsbedarf
an Manufakten gedeckt werden. Dieser Feststellung pflichtet
die niederösterreichischen Landesregierung indirekt bei: Eine Art
Qualitäts-Endkontrolle für Exportwaren (Beschau-Anstalten),
wie sie z.B. in Frankreich schon lange bestand, sei in Österreich
überflüssig, da viel zu wenig in die Türkei abgesetzt
wird. Man müsse für einen solchen Schritt jene
Periode abwarten, in der mehr verkauft würde.
Der Bericht der niederösterreichischen Landesregierung kritisiert
an den Berechnungen der Bankal-Administration vor allem die geschönten
Zahlen über die Einfuhr aus der Türkei. Lebensmittel
scheinen in deren Handelsbilanz gar nicht auf, obwohl auch hier ein
Übergewicht der Türkei besteht. Diese nicht-industriellen
Produkte würden gar nicht beachtet, obwohl sie einen bedeutenden
Teil des Handels ausmachten. Der Gutachter weist darauf hin, daß
Experimente zur Zucht neuer Produkte die eigentliche, angestammte Agrikultur
in den Hintergrund drängen und dadurch den Import solcher Waren
verursachen, die im Inland billiger hergestellt werden könnten,
wie Vieh und Getreide. Als Beispiel führt er die Seidenzucht an,
die stets von Regierungsseite nach besten Kräften unterstützt
worden sei, um die Abhängigkeit von Seidenimporten aus der Türkei
zu verringern. Was nützen diese Erfolge bei der Seidenzucht, so
der Gutachter, wenn ein Vielfaches der solchermaßen gesparten
Seide-Importsumme für den Import von Ochsen und Schafen
wieder ins Ausland gelange!
Bei allen berechtigten Klagen über die türkischen Kaufleute
und deren Schliche, die es den österreichischen Kaufleuten so schwer
machte, sich gegen sie durchzusetzen, sollte nicht übersehen werden,
so schließt dieses Gutachten, daß die Händler der mit
Österreich konkurrierenden Nationen England, Frankreich, Holland,
und in neuerer Zeit auch Rußland, die Schwierigkeiten des Levantehandels
offensichtlich besser bewältigten als die österreichischen
Firmen, daß erstere sehr wohl Niederlassungen in den wichtigen
Handelszentren der Türkei unterhielten und auch mit der dortigen
Zahlungsmoral besser zurechtkämen als letztere.
Der Stand der agrarischen und
industriellen Produktion im Österreich des 18. Jahrhunderts
entsprach nicht den ehrgeizigen Vorstellungen seiner Politiker. Die
behauptete Überlegenheit gegenüber dem Osmanischen Reich hielt
deshalb der praktischen Überprüfung nicht stand. Die natürlichen
Ressourcen und das handwerkliche Können der Bewohner dieses Landes
mußten von den österreichischen Orient- und Wirtschaftsfachleuten
anerkennend zur Kenntnis genommen werden: Ungeachtet der schlechten
Verfassung, der immer zunehmenden Üppigkeit und Barbarei und der
steten Unterdrückung aller Aufklärung und jedes Fortschrittes
des Verstandes war es doch nicht möglich, dieses Reich in gänzlichen
Verfall zu bringen.
Diese Diskrepanz zwischen Anspruch unf Wirklichkeit war das Ärgernis
der österreichischen Regierungen, Lokalbehörden, Handelsgremien
usw. Sie war aber auch die Grundlage des Erfolges der Griechen.
2. Die Griechen
2.1. Das Auftauchen der Griechen in
Österreich
Die bedeutendste Gruppe unter den Kaufleuten
aus dem Osmanischen Reich waren die Griechen. Sie stammten größtenteils
vom Territorium des heutigen Albanien, Mazedonien und Nordgriechenland.
Vor der Vertreibung der Türken aus Ungarn waren sie bereits in
den unter türkischer Herrschaft befindlichen Gebieten, der Hódoltság,
als wandernde Händler tätig. Sie belieferten dort die türkischen
Garnisonen und auch die angrenzenden habsburgischen Teile Ungarns. In
Siebenbürgen waren sie zur Zeit der Fürsten Apafi die Kreditgeber des Hofes,
im Gegenzug erhielten sie die einträglichen Posten des Zollpächters
und des Münzwardeins.
Sie zogen in Karawanen vom Balkan nach Ungarn, später auch in die
Erblande, und weiter nach Deutschland: Die mazedonischen Kaufleute
dringen mit ihren Wägen bis ins Innerste von Deutschland, verkaufen
zuletzt Wagen und Pferde, entlassen ihre Bedienten und erwarten sie
zu Saloniki zu einer neuen Reise. Sie waren mit Fuhrwerken und
zu Fuß unterwegs, oft entlang der Flußläufe, mit vom
Ufer aus gezogenen Frachtkähnen. In Ungarn fanden sie ein von Türken-
und Kuruzzenkriegen ausgeblutetes Land vor, in dem jegliche Handelstätigkeit
erlahmt war. Die Griechen siedelten sich beinahe im Niemandsland
an. Bevor sich in Ungarn regionale Märkte entwickelten, zogen
die Griechen durch die Dörfer und verkauften den Bewohnern ihre
Ware direkt an der Haustür. Ebenso bezogen sie Waren von den Kleinproduzenten
aus erster Hand. Diese Praxis gaben sie auch später, wenn sie sich
auf Märkten etabliert hatten, nicht auf und besaßen dadurch
immer einen Vorsprung vor ihren deutschen oder jüdischen Konkurrenten,
die aus zweiter Hand kauften, weil ihnen das Aufsuchen der Bauern zu
mühsam war. Schwartner beschreibt das Auftauchen griechischer Händler
bei den Zipser Leinwebern gegen Ende des 18. Jahrhunderts: Wie
die Zugvögel besuchen uns um Pfingsten aus entfernteren Gegenden
aktivere Griechen, Zinzaren und Serbler, welche die Städte und
Dörfer der Zipser Provinz durchstreifen, mit Ungeduld auf die oft
nicht ganz fertige, oft durch ein dürftiges Draufgeld im voraus
schon der Armut abgehandelte Ware lauern und diese dann, fast ohne Konkurrenz,
wohlfeil gekauft, mit vielprozentigem Gewinn tief in das Innere
des Landes mit sich schleppen.
Die Griechen zogen nie leer durch die Gegend: Hatten sie
etwas verkauft, so kauften sie sofort andere Waren, die sie in andere
Gegenden verkauften. Obwohl der Handel mit der Türkei ihr wichtigstes
Betätigungsfeld blieb, verschmähten sie deshalb keineswegs
den Handel mit inländischen Waren und ließen sich durch Strapazen
und Mühen nicht abschrecken, wenn sie dabei Gewinn witterten. Sie
handelten mit Vieh, Getreide, Leder, Holzöl, Leinwand, Schaf- und
Baumwolle, in geringerem Maße erst mit solchen Waren, die als
eigentlich türkische galten, wie Kaffee, Gewürze,
exotische Früchte oder Gewebe.
Die Geschäfte der Sinas bestätigen die Behauptung Ödön
Füves, daß die Griechen außer mit Eisen praktisch
mit allem gehandelt hätten, was sich verkaufen ließ, ganz
gleich, ob es ihnen erlaubt war oder nicht. Sie handelten, allerdings
bereits während der Napoleonischen Kriege, neben ihrem Haupt-Artikel,
der Baumwolle, zumindest noch mit österreichischen Tüchern
, französischen Weinen, Kupfergeschirr, Pottasche, Kaffee,
Baumwollgarn, türkischen Schals, und Silbergerätschaften.
Später, als sich in den verschiedenen
Städten Ungarns regelmäßige Markttage einbürgerten,
unterhielten die griechischen Händler dort Warenlager, von denen
sie die lokalen Märkte versorgten, die aber auch als Zwischenstationen
für ihre großangelegten Handelszüge dienten. Sie durchliefen
im Laufe der Jahrzehnte verschiedene Stadien zwischen Hausierern und
Stadtbürgern: Dazu gehörte das Eröffnen eines ständigen
Ladens, die Aufnahme in die alteingesessenen Handelskorporationen, der
Erwerb des Bürgerrechtes der einen oder anderen Stadt. In den Erblanden
scheint ihr Tätigkeitsbereich sich größtenteils auf
Wien und Umgebung beschränkt zu haben: Eine Umfrage in Oberösterreich
im Jahre 1794 ergab, daß beinahe niemand dort Handel mit Griechen
und Türken trieb, und auch die wenigen Ausnahmen sich zu diesem
Zwecke nach Wien begaben. Kamen einmal Griechen in die Gegend, so meist
auf dem Weg nach Deutschland.
Die Griechen hielten sich durch ihre Mobilität immer die Möglichkeit
offen, gegebenenfalls den Staub der Monarchie von den Füßen
zu schütteln und in die Türkei zu verschwinden, sobald die
Umstände es erforderten, im Falle eines Bankrottes, einer Schuldforderung
oder einer gerichtlichen Klage. Sie handelten auch mit Geld, vor allem
mit den in der Türkei wegen ihrer Prägungsqualitäten
begehrten Maria Theresien-Talern. Ihre im Osmanischen Reich verbliebenen
Verwandten unterstützten sie mit ihrem in Österreich verdienten
Geld, und wenn sie sich aus dem Geschäftsleben zurückzogen,
so kehrten sie oft in die Heimat zurück. Sie stellten dadurch ein
unberechenbares Element für die österreichische Politik dar
und standen stets im Verdacht, Geldabfluß zu verursachen. Ihre
Stellung war daher Gegenstand immer neuer Reglements, Beschränkungen,
jedoch auch Privilegien, denn sie waren und blieben die Träger
des Levantehandels.
Um dieses Vermögen der
Griechen, welches sie außer Landes besaßen oder ins Ausland
verschleppten, gab es auch immer wieder Gutachten und Meinungsverschiedenheiten.
Als Georg Sina 1811 um die Großhandelsbefugnis ansuchte, wurde
ihm zugutegehalten, daß er unter die mit einem beträchtlichen
Vermögen einwandernden Ausländer zu rechnen sei, deren
Einbürgerung unbedingt unterstützt gehöre. Als ein Jahrzehnt
früher einige Griechen ihr Gesuch um Großhandelsbefugnis
mit der Bemerkung versahen, sie besäßen auch Vermögen
in Österreich, wurde von dem Merkantilgericht bemerkt, sie hätten
dieses hier erworben und keineswegs mitgebracht, sie seien als
mittellose Knaben hierher gekommen und hätten sich dann in
Österreich bereichert. Liegende Güter in der Türkei
besäßen sie schon gar nicht.
Das Vermögen eines Kaufmannes besteht zunächst
eben nicht aus Immobilien, sondern bewegt sich in Waren oder Geldform
durch die Lande, und daraus ergibt sich, daß es nie genau lokalisierbar
ist. Bei den Klagen über die Frugalität und Anspruchslosigkeit
der griechischen Händler ist auch nicht anzunehmen, daß sie
sich in ihren Heimatorten Paläste gebaut oder Gelage veranstaltet
haben, sondern der Großteil ihres Besitzes bewegte sich wahrscheinlich
auf Leiterwägen zwischen Stambul und Deutschland hin und her. Damit
ist auch die Behauptung Gyömreis, mit der Ablegung des Treueeids
hätten die vormaligen türkischen Untertanen ihr Vermögen
im Osmanischen Reich verloren, mehr als fragwürdig. Behördliche
Konfiskationen von Waren türkischer Kaufleute fanden in Österreich
statt, in der Türkei eher selten. Und die offiziellen oder weniger
offiziellen Abgaben, die ein Kaufmann türkischen Obrigkeiten zu
leisten hatte, hatten weniger mit seiner Untertanenschaft zu tun, als
mit der geschätzten Höhe seines Vermögens. Die Klagen
der österreichischen Behörden, die türkischen Untertanen
sollten doch endlich ihr Vermögen nach Österreich bringen,
beinhalteten genaugenommen nichts anderes als die Forderung, den Handel,
oder zumindest diese Form des Handels, aufzugeben und einen anderen
Beruf zu ergreifen.
2.2. Die Griechen in Ungarn und in den Erblanden vaterlandslose
Gesellen
Anfangs wurden die griechischen Händler
von den Behörden geduldet, ihre Tätigkeit sogar begrüßt.
Sie setzten immerhin Warenströme in Bewegung und sie waren auch
als Heereslieferanten tätig. Mit Neid und Mißgunst wurden
sie nur von ihren wenigen Konkurrenten, den in Zünften (den Handelsgremien)
organisierten ansässigen Kaufleuten, verfolgt. Erst als die österreichische
Politik sich vermehrt der Frage der Wirtschaftsförderung und des
Handelsüberschusses zuwandte, begannen die Griechen störend
aufzufallen. Zunächst deshalb, weil sie als türkische Untertanen
jederzeit, unter Zurücklassung von Schulden, bei gleichzeitiger
Mitnahme ihres Vermögens, die Monarchie verlassen und damit einen
Abzug von Edelmetallen verursachen konnten. Mit der Einrichtung der
Zwischenzollinie zwischen den österreichischen Erblanden und Ungarn
waren sie auf einmal allen österreichischen Kaufleuten gegenüber
privilegiert: Für sie galt diese Zollinie nicht, da dies den Bestimmungen
des Passarowitzer Handelstraktates widersprochen hätte, demzufolge
ein Untertan des einen Landes nur beim Überschreiten der gemeinsamen
Grenze zwischen der Türkei und Österreich Zoll zu entrichten
hatte, darüber hinaus dürfe nicht das mindeste mehr
zu fordern sein.
Angeblich habe, so Gyömrei, der Erlaß über den Treueeid
1774 einen entscheidenden Einschnitt für die Griechen bedeutet.
Nach dem Frieden von Kücsük-Kajnardscha, der eine deutliche
Schwächung der Türkei markierte, kündigte Maria Theresia
praktisch die Handelstraktate, indem sie alle Privilegien der türkischen
Untertanen strich und sie auf die Ableistung des Treueeides und damit
der Annahme der österreichischen Staatsbürgerschaft verpflichtete.
Wer diesen Eid verweigerte, wurde auf den Handel mit Waren aus
dem Osmanischen Reich beschränkt. Wer ihn ablegte, wurde
mit österreichischen Kaufleuten gleichgestellt, durfte mit allen
Waren handeln, Grundbesitz erwerben, unterlag aber auch den österreichischen
Gesetzen und mußte so wie die Einheimischen Zölle und Abgaben
entrichten. Das angestrebte Ziel, die Griechen mit der Einbürgerung
ihrer Verbindungen in der Türkei zu berauben, wurde nicht erreicht.
So schlug die Wiener Börsendeputation 1798 vor, daß
künftighin den türkischen Untertanen, die sich in den kaiserlich-königlichen
Staaten seßhaft machen wollen, die angesuchte Naturalisation nicht
erteilt werde, als wenn sie glaubwürdig erwiesen haben werden,
ihr ganzes Vermögen hierüber gebracht, von ihren türkischen
Handelsgenossen förmlich sich getrennt zu haben und mit selben
in keinem anderen Verhältnisse als jenem zu stehen, in welchem
ein österreichischer Trafikant mit Türken allfällig sich
finden könnte.
Welcher Art solche Bestätigungen sein sollen, welche
Behörde diese Behauptung glaubhaft bestätigen soll, bleibt
dunkel, und es kann für einbürgerungswillige Balkanbewohner
nicht sehr schwer gewesen sein, sich solche Papiere zu besorgen. Bei
den Zollämtern gaben sie sich oft genug weiter als türkische
Untertanen aus, wenn sie dadurch günstigere Zollsätze in Anspruch
nehmen konnten.
Die negative Wirkung des Treueeides für die Griechen in Ungarn
wird meist mit der rapiden Abnahme der türkischen Untertanen in
Pest, also dem massenweisen Übertritt in den österreichischen
Staatsverband, belegt. Dieser kann aber erstens andere Ursachen
haben, in Österreich, wie das Toleranzpatent, das den Griechen
eine neue Konkurrenz in Gestalt der Juden verschaffte; und in der Türkei,
wo Raubzüge der türkischen Soldaten und sonstiger Wegelagerer
viele Griechen dazu veranlaßt haben können, ihren Wohnsitz
endgültig nach Österreich zu verlegen. Auch die Folgen
werden falsch wiedergegeben. Der Übertritt in die österreichische
Untertanenschaft bedeutet keineswegs, daß diese Austro-Griechen
den Handel aufgegeben oder mit weniger Erfolg betrieben hätten.
Die Anzahl der türkischen Untertanen war in Wien angeblich viel
höher als in Pest. Gyömrei verweist als eine der Ursachen
auf die Ansiedlung eines Großhändlers: Eine große
Wiener Handelsfirma, die Firma Natorp, eröffnete vermutlich
auf Wink der Regierung eine Filiale in Pest und verdrängte
die Griechen durch ruinöse Konkurrenz aus dem ihnen angestammten
Gewürzhandel.
Vergleich mit der Lage in Wien
: Um
1800 gab es in Pest nur 12 griechische Händler, die türkische
Untertanen geblieben waren, in Wien waren zur gleichen Zeit 217 türkische
Firmen gemeldet, die ohne Zwang zur Ableistung des Treueeides frei Handel
treiben durften, die Zahl der Griechen, die österreichische Untertanen
waren, betrug 15.
Diese Angaben sind trügerisch: Die Anzahl der protokollierten Firmen
deckte sich keineswegs mit der der tatsächlich existierenden. Zwei
solche Verzeichnisse aus Wien von 1802 führen einmal 139 türkische
zu 63 österreichischen, einmal 126 türkische zu 69 österreichischen
Firmen an. (Bei dieser Gegenüberstellung wurden Griechen, türkische
Juden und Armenier zusammengezählt, die letzteren beiden sind aber
eine verschwindende Minderheit.) Selbst wenn die Zahl der türkischen
Firmen in Pest stimmt, besagt das für sich noch gar nichts. Gyömrei
nennt keine Zahl für Griechen, die österreichische Untertanen
waren. Wenn es eine große Menge solcher gegeben hätte, wäre
die These über die negativen Auswirkungen des Treueeides auf den
Handel der Griechen nämlich noch fragwürdiger. Zusätzlich
ist noch zu berücksichtigen, daß viele vorher in Wien ansässige
Griechen, die bereits österreichische Untertanen waren, ihre Geschäfte
oder Warenlager nach Ungarn verlegten, weil sie vor Schikanen der Wiener
Behörden den Schutz in Anspruch nahmen, den das ungarische Recht
gewährte.
Über die exterritoriale Stellung
der türkischen Untertanen berichtet ein Beamter der Hofkammer 1806
anläßlich einer Zwangsanleihe zur Aufbringung der Kontribution
an die Franzosen:
Unter den vorgerufenen Parteien zur Erklärung über ihre
Bereitwilligkeit zur Zahlung des Zwangsdarleihens waren auch einige
hier angesiedelte Griechen. Die in Wien seßhaften Griechen sind
zweierlei Natur. Einige derselben haben die östreichische Unterthansschaft
oder Einbürgerung erworben. Die meisten derselben sind aber noch
in dem Untertansverbande der ottomanischen Regierung, sind also türkische
Untertanen und Fremde. Man hat bei der Besteuerung und Vorrufung der
Griechen auf diesen Unterschied keine Rücksicht genommen. Baron
Kielmannsegg überließ mir einen Teil der Griechen zur Verhandlung
An der Spitze derselben war ein Pope
Er wurde von den
Seinigen zum Sprecher gewählt, weil er der deutschen Sprache
mächtig ist. Auf meine Eröffnungen und Zumutungen, die er
ruhig und aufmerksam anhörte
machte er mich vor allem aufmerksam,
daß er und seine Schar türkische Untertanen seien, und deduzierte
mit eben so vieler Klarheit als Scharfsinn, wie er und seine Klienten
mit Recht nicht in die Besteuerung gezogen werden könnten, und
wie sie, wenn man darauf bestünde, nur der Gewalt weichen, jedoch
die Vertretung ihrer Regierung anrufen würden. Wenn man aber ihr
Recht anerkenne, so seien sie bereit, Opfer zu bringen, die sie näher
bezeichneten. Die vorgetragenen Gründe machten auf mich überzeugenden
Eindruck und bestimmten mich, die Verhandlung abzubrechen und die Herren
auf Nachmittag zu bescheiden,
ich ward ermächtigt, ihre
Erklärung anzuerkennen und ihr Offert in der gehörigen Form
anzunehmen.
Simon Georg Sina, dessen erste
im Verein mit anderen Griechen geführte Firma in den Akten
als ein in Wien ansässiges Großhandlungshaus geführt
wird, und der später eine eigene Firma als türkischer Untertan
anmeldete, und erst mit der Erhebung in den Adelsstand 1818, wenige
Jahre vor seinem Tod, österreichischer Untertan wurde, verzollte
1811 versehentlich einige Ballen Baumwolle falsch. Das Zollamt, das
die Ware konfiszierte, wurde von einer anderen Behörde darauf hingewiesen,
daß Waren türkischer Untertanen nach der zollämtlichen
Instruktion von 1789 nicht konfisziert werden dürften und die Bedeutung
des Levantehandels für Österreich erfordere, daß alle
diesbezüglichen Verordnungen genau eingehalten würden. Eine
andere Behörde meldet sich auch zu Wort und weist nachdrücklich
darauf hin, daß Sina das Garn auszufolgen sei, mit folgenden zusätzlichen
Ausführungen, die offenbar das Mißverständnis seitens
der Zollbehörde, Sina sei österreichischer Untertan, beseitigen
sollten:
1. Der Simon Georg Sina, dessen Gesuch zurückfolget, ist
der Vater, und nicht er, sondern sein Sohn ist jüngst Großhändler
geworden. 2. Der Besitz von Realitäten in den österreichischen
Staaten schließt nach der Übung den türkischen Untertanen
von den traktatmäßigen Begünstigungen nicht aus. 3.
Der 2. Paragraph des Hausier-Patents bestätigt diese Übung,
denn nach dieser gibt der Besitz einer österreichischen Realität
keineswegs das Bürgerrecht.
Hier ist ausdrücklich von einer Übung, also nicht einem
Gesetz, die Rede. Nach dem Gesetz konnte ein türkischer Untertan
keinen Grund erwerben, wie S.G. Sina 1806 feststellen mußte, als
er ein Haus in Wien-Landstraße kaufen wollte. Im folgenden Gutachten
wird ausgeführt, daß den türkischen Untertanen solche
Zugeständnisse deshalb nicht gemacht werden könnten, weil
auch österreichische Untertanen in der Türkei keinen Grund
erwerben dürften.
1810 wurde das Ansuchen Simon Georg Sinas um die Gewährung von
Zollkredit abgewiesen, da türkische Untertanen, die im Lande
keine Ansässigkeit hätten und sich daher jederzeit in
die Türkei absetzen könnten, von keinem Amt Kredit erhalten
dürften und sich zu diesem Zwecke an private Kreditgeber zu wenden
hätten.
Treueeid und behördliche Schikanen
hin oder her, die Griechen hatten längst Mittel und Wege gefunden,
um auf diesem Gebiet auftauchende Hindernisse möglichst zu umgehen.
2.3. Die Organisationsformen der griechischen Kaufleute
Die Griechen waren bereits vor ihrem Auftauchen
in der Monarchie, also bereits in der Türkei, in sogenannten Kompanias
organisiert, einer Art Zunft, ähnlich den Handelskorporationen.
Die erste Aufgabe dieser Vereinigung war die Organisation der Handelskarawanen.
Die in der Kompania vereinigten Händler entrichteten
eine gemeinsame Steuer. Auch diese Tradition aus dem Osmanischen Reich
setzten sie in Österreich fort. Schließlich hatten die in
der Kompania vereinigten Händler das Recht auf eigene
Gerichtsbarkeit, durften ihre Richter und Geschworenen selbst wählen
vorausgesetzt, der Streitfall betraf nur Griechen. Eine kurze
Schilderung des Streites und des Urteils mußte dann einer örtlichen
Behörde übergeben werden. In Ungarn gab es 1752 10 solcher
Vereinigungen, die nach Städten organisiert waren. In Wien wurde
1805 ein Gesuch um Einrichtung eines eigenen Gremiums für die Griechen
abgelehnt. Das betraf aber nur die Rechtsförmlichkeit einer solchen
Vereinigung, die neben der Kaufmannszunft der Wiener Kaufleute eine
gleichberechtigte für die Griechen bedeutet hätte. Eine Eingabe
von 1812 trägt die Unterschrift Von den Vorstehern des hiesigen
griechischen Gremiums ottomanischer Untertanen. Mit oder ohne
Anerkennung der Behörden setzten die Griechen ihre herkömmliche
Organisationsform also ein, wenn sie es für geraten erachteten.
Im gleichen Jahr gab es Pläne, in Stambul eine Art Dachverband
für alle griechischen Kaufleute einzurichten, der Urkunden ausstellen
und überprüfen und eine eingeschränkte Gerichtsbarkeit
ausüben sollte. Die Pforte sollte dafür Sorge tragen, daß
dessen Entscheidungen international anerkannt würden. Die österreichischen
Behörden meinten, so etwas wäre sehr bedenklich.
Nachdem die Griechen Fuß gefaßt hatten, trat eine zweite
Organisationsform in den Vordergrund, die der Sozietät.
Diese bezeichnete kleine Unternehmen mit 2-3 Mitgliedern, meistens Familienbetriebe,
bestehend aus Brüdern, oder Vater und Sohn, von denen oft einer
die türkische Staatsbürgerschaft beibehielt, der andere die
österreichische annahm. Damit kamen sie in den Genuß der
Privilegien beider Arten von Untertanen. Häufig hielt sich der
eine der Consozii in der Türkei auf und erledigte dort
die anfallenden Geschäfte, wie Ein- und Verkauf, Transport, Bestechung
usw., der andere in Österreich. Außer den Consozii verfügten
diese Unternehmungen meist noch über Angestellte.
Georg Sina, der seit 1803 die Firma seines Herrn Vaters
führet und desselben Handlung leitet, suchte 1811 mit Erfolg
um die Aufnahme in den österreichischen Staatsverband an, während
sein Vater noch weitere sieben Jahre türkischer Untertan verblieb.
Trotz des oben geschilderten Verbots beim Grundkauf und den sich daraus
ergebenden weiteren Nachteilen hielten es die Sinas also bis 1811 für
vorteilhaft, ihr Geschäft als türkische Untertanen
zu führen. Die Beschränkungen bei Grunderwerb hatten sie längst
durch einen Strohmann (einen bereits eingebürgerten Verwandten
der Frau Simon Georg Sinas), umgangen: 1812 wurde wegen einer Nachlässigkeit
des Hausadministrators des Simon Georg Sina eine Verwaltungsstrafe
gegen letzteren verhängt, aus der hervorgeht, daß die Sinas
zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Häuser in Wien besaßen,
zusammen mit dem Handelsmann Isak Gyra, auf dessen Namen Sina
anfangs die Häuser schreiben ließ.
1822 suchte Georg Sina um Änderung des Namens seiner Firma in Simon
Georg Sina an, nach der Firma seines in demselben Jahr verstorbenen
Vaters. Aus diesem Gesuch geht hervor, daß sein Vater sein Unternehmen
1818 anläßlich seiner Erhebung in den ungarischen Adelsstand
aufgelöst hatte. Bis dahin, von 1811 bis 1818, hatten die beiden
also das System der zweifachen Staatsbürgerschaft benützt.
Die Begründung, die Georg Sina für diese Umbenennung anführt,
er wolle des Vaters Andenken ehren kann nicht
das wirkliche, zumindest nicht das einzige Motiv gewesen sein. Zwei
Gründe sind denkbar: 1. Er wollte Privilegien, die sein Vater noch
als türkischer Untertan bei der Gründung des Unternehmens
erhalten hatte, stillschweigend übernehmen. 2. Er wollte die Verbindungen
seines Vaters und etwaige noch bestehende Verbindlichkeiten anderer
gegen ihn in der Türkei übernehmen.
2.4. Die Handelsverbindungen und das Kreditwesen der Griechen
Die Griechen standen im 18. Jahrhundert
hauptsächlich mit ihresgleichen, gleichfalls aus der Türkei
und meist auch aus dem gleichen Gebiet stammenden Personen in Handelsverbindungen.
Sie verkauften ihre Ware zwar an österreichische Bürger oder
Institutionen, aber als Angestellte oder Consozii nahmen sie nur Griechen
auf. Auch im Wechselgeschäft standen sie hauptsächlich mit
anderen Griechen. Bei der Handhabung des kaufmännischen Kredites
oder bei der Abwicklung von Bankrotten fällt das Bemühen auf,
bei anderen Griechen aufgelaufene Verbindlichkeiten nach Möglichkeit
zu erfüllen, während die österreichischen Beteiligten
durch die Finger schauen konnten.
Die Griechen brachten ein fertig entwickeltes Kreditwesen mit, mit dem
Außenstehende wenig anfangen konnten. Der Verwalter der
königlichen Rechtsangelegenheiten reichte 1781 eine FiskalKlage
gegen einen griechischen Händler ein, weil er 5000 fl. gegen eine
monatliche Provision von 1% verliehen hatte, während der
gesetzliche Zins 6% jährlich betrug. Im Laufe des Prozesses
erläuterten 18 in Pest ansässige griechische Händler
in einer Eingabe, daß man zu 6% nicht mehr als 1000 fl. erhalten
könne. Derjenige, der einen Kredit zu 6% jährlich gegen eine
Obligation aufnehme, zahle mehr als der, der auf einen bis drei Monate
gegen 1% monatlich kreditiert wird, denn dieser Kredit ist sofort rückzahlbar,
während der ObligationsKredit eine Kündigungsfrist von 3 Monaten
hat. Darüberhinaus scheint ein gegen Provision aufgenommener
Kredit nicht in der Buchhaltung auf (wortwörtlich: ist
nicht öffentlich) und belastet den kaufmännischen
Kredit des Betreffenden nicht. Ein Kaufmann ohne Immobilienbesitz erhielte
nicht einmal 100 fl. zu 6%. Der Kredit zu 1% monatlich sei auch in Wien
verbreitet, die Bankal-Deputation genehmige diese Art des Kredites auch,
damit die Kaufleute nicht auf die (weit ruinösere) Form des PfandKredites
angewiesen seien.
Während die Griechen sich für kurzfristige Kredite
anscheinend mit genannter monatlicher Provision behalfen,
berechneten sie beim Wechselkredit offenbar die langen Strecken
ein, die bei ihrer Art von Handel zurückzulegen waren, und die
Zeitspannen, die der Transport in Anspruch nahm. So beschwerte sich
die österreichische Bankal-Administration 1804, daß die in
der Türkei verstreuten Handelsleute
einen unverläßlichen
Kredit genießen, ihre Tratten laufen über 13
Monate
Es fehlte auch nicht an Beschwerden der österreichischen
Kaufleute, daß die Gesetzgebung der Pforte die gerichtliche Verfolgung
der türkischen Untertanen erschwere, den Wechselregreß nicht
anerkenne, zeitweise einfach das Wechselgeschäft verbiete, wodurch
Wechsel überhaupt nicht mehr einklagbar seien, usw.
Der Kredit der Griechen untereinander beruhte jedoch nicht auf den jeweiligen
Landesgesetzen, sondern auf dem Zusammenhalt, der einer ihrer Konkurrenzvorteile
war und mit dem sie sich in einer feindseligen Welt behaupteten.
Ein grenzüberschreitender Streitfall der Bürger von Moscopolis
im Jahr 1770, in dem viele Zeugen über die gefälschten Unterschriften
von Bürgen zweier Obligationen entscheiden sollten, zeigt, wie
wichtig für viele Beteiligte die rechtmäßige Bezahlung
dieser Obligationen war: Der Kreditgeber, Georg Sina (der Ältere),
muß von der Betrugsabsicht des Schuldners gewußt haben,
da er aus der gleichen Stadt stammte und sowohl den Schuldner als auch
die meisten der Leute, deren gefälschte Unterschriften unter dem
Schuldschein standen, kannte. Dennoch machten die Bürger von Moscopolis
einen Unterschied zwischen dem ehrenwerten Gläubiger, dessen Forderungen
befriedigt werden mußten, und dem Gauner, der unbedingt verurteilt
gehört. Ihr Interesse ist klar: Der Kredit innerhalb ihrer Personengruppe
stand auf dem Spiel: Erhielt Georg Sina sein Geld nicht, so würde
er vermutlich keinen der Unterzeichneten, womöglich
keinen aus dieser Stadt stammenden Menschen mehr kreditieren, was bei
seinen finanziellen Mitteln offensichtlich eine empfindliche Schrumpfung
des Kreditvolumens für die Griechen von Moscopolis, und da diese
Stadt eines der Zentren der Griechen war, für die gesamte griechische
Kaufmannschaft bedeutet hätte.
Angesichts der ständigen Klagen der
Zeitgenossen über die Unzuverlässigkeit und Unordnung
der Griechen ist noch erwähnenswert, daß die Einführung
einer geregelten Form von Buchführung und neue Formen des
Geldverkehrs in Ungarn den Griechen zugeschrieben werden, auch
sollen sie es gewesen sein, die den Wechsel in Ungarn eingeführt
hätten. Während sich unter den restlichen Kaufleuten Ungarns
nach Beendigung der Türkenkriege der Wechsel als Zahlungsmittel
nie so recht durchsetzen konnte, kreditierten die Griechen einander
munter mit ihren Wechseln, und aus ihren Rechtsstreitigkeiten läßt
sich erkennen, daß diese Wechsel durch viele Hände gingen,
bevor sie verfielen, daß sie also innerhalb dieser Gruppe problemlos
angenommen wurden.
Die Umgangsformen der griechischen Händler
zeichnen sich durch eine gewisse abgeklärte Heiterkeit aus, die
allerdings auch durch die Übersetzung hervorgerufen sein kann:
Betreffend das
Begehren des Georg Sina, als
für 47 brab.
Ellen Drap dor, die er beim bei dem Serafin Bischof in Geras gelassen
hat: Dies hat er dort zu suchen, wo ers gegeben hat. (Schiedsspruch
in einem Rechtsstreit G. Sinas in Wien, 1767)
als wir an den hiesigen
Platz kamen, mußten wir zu unserem Mißvergnügen feststellen,
daß wir so viele Zahlungen zu leisten hatten, daß uns für
Sie kein Geld mehr übrig blieb
(Konstantin Damscho
in Wien 1794 an Samuel Stankovics in Pest)
Er wird dir selbe (=Baumwolle)
geben, nachher diese 200 Ballen werden, wie Gott es dir eingeben wird,
verkauft worden sein, werde ich dir das Abgängige ersetzen, wenn
etwas abgehen sollte, oder du wirst mir den Überfluß geben,
wenn etwas überbleiben sollte. Lebe wohl. (Nikolaus Haggi
Michael und Demeter Psara 1796 an Johann Georg Turumtsa, beide in Wien)
Einige Ballen Baumwolle sollen
Sie ohne weiteres übernehmen
wenn Sie also diese erblicken,
sogleich machen Sie einen Verbot darauf, weil uns der Constantin Moszka,
der auch heute fallierte, schuldig ist. Daher jetzo zeigen Sie sich
für uns als Freund und scheuen Sie keine Unkosten.
(Simon Sina, Papa Naum & Co. in Wien 1796 an Konstantin Mazinka
in Pest)
sollen Sie dem dortigen
Herrn Constantin Mazinka ohne weiteres übergeben, von welchem Sie
auch Ihre Auslagen samt Ihrer Provision erhalten, und wir bleiben wieder
gute Freunde, mithin ohne Widerrede sollen Sie die Baumwolle an gedachten
Mazinka ausfolgen, damit wir keinen Wortwechsel haben. (Simon
Sina, Papa Naum & Co. in Wien 1796 an Konstantin Moszka in Pest)
weil mir diese Tratte
höchst nötig ist, so trachten sie auf alle Weise, daß
diese nicht zurück kömme, sonst wird es meiner Ehre sehr nachteilig
sein
ich bitte Sie abermals, meine Tratte von 300 fl. auszuzahlen,
denn sie ist mir höchst nötig, beehren Sie mich zu jeder Zeit
mit dero werten Befehlen
(Konstantin Zygur in Semlin
1796 an Johann Georg Turumtsa in Wien)
Da wir wegen der Baumwolle unter
unserem Signo, welche Sie wegen der Gelder, die wir Ihnen
schuldig
sind, haben in Verbot schlagen lassen und wovon der
Magistrat
für obige Summe Ihnen 170 Ballen Baumwolle gegeben, mit dem Preis
also, wie der
Magistrat selber geschätzt hat, zufrieden
sein und selber für gut verkaufte halten, worüber Sie nun
Eigentümer sind ( und wünschen guten Nutzen).
(Simon Sina, Papa Naum & Co. in Wien 1796 an Demeter Argyr in Pest)
,
usw.
The castle in Rappoltenkirchen/ Lower Austria which was the
main residence and the administrative center of the Austrian estates
of the Sina family till the death of Georg Sina in 1856
Schloss Rappoltenkirchen/ Niederösterreich,
der Stammsitz der Familie Sina und das Verwaltungszentrum ihrer
österreichischen Besitzungen bis zum Tode Georg Sinas 1856 |
|
eine Zusammenfassung dieses Textes auf Griechisch
____________________________________
LITERATUR:
Fővárosi
Levéltár Budapest, Missiles und Relationes
Füves Ödön, A görög
kereskedők bevándorlása Pestre
1718 és 1774 között.
XXXX XXXX Különlenyomat
az Antik Tanulmányok 1975 évi XXII/1 számából
XXXXXXXXGörögök
Pesten 1686-1931 (Kandidatusi értekezés 1972, unveröffentlicht)
Gyömrei Sándor,
Pest-Buda gazdaságtörténete
a manufaktura korszakában (1686-1800)
XXXXXXXXXXX (Kandidatusi
értekezés 1955, unveröffentlicht)
XXXXXXXXXXXA
kereskedelmi tőke
kialakulása és szerepe Pest-Budán1849-ig. In:
XXXXX XXXXXXTanulmányok
Budapest múltjából, 1957
Handlungs- und Schiffahrts-Tractat
zwischen Ihrer Römisch-Kaiserlichen Majestät an
XXXXXXXXX
einem, dann Dem Türkischen Groß-Sultan am anderen Theile.
XXXXXXXXX
Aufgerichtet ohnweit Passarowitz, am 27. Juli
1718
Hofkammerarchiv Wien, Kommerz Litorale
und Niederösterreich, Bancale
XXXXXXXXXXXX
und Österreichisches
Camerale
Schäfer László,
A görögök vezetőszerepe
Magyarországon a korai kapitalizmus
XXXXXXXXXX
kialakulásában, Budapest 1930
Schwartner Martin, Statistik des
Königreichs Ungarn. Ofen 1809-1811
_______________________________________________________________________
Peter Lang Verlag 1998
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